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Keine neuen Erkenntnisse über Winnenden


27.03.09

Keine neuen Erkenntnisse über Winnenden

Maybritt Illners Talkshow diskutiert über PC-Killerspiele und die Verwahrung von Sportwaffen

(MEDRUM) Maybritt Illners gestrige Abendrunde war im Hinblick auf die tragischen Ereignisse von Winnenden auf die beiden Fragen fokussiert, ob Killerspiele nicht verboten werden sollten, und ob nicht mehr Augenmerk auf die sichere Verwahrung von Sportwaffen gelegt werden müsste.

Die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung wird durch Killerspiele herabgesetzt und dann wird durch Mißbrauch einer Waffe, auf die zugegriffen werden kann, der Amoklauf ermöglicht, so einfach sei das, meinte ein Gast von Maybritt Illner. Also müsse man beides tun: Killerspiele verbieten und den Zugriff auf Waffen verhindern. So kann das Fazit der gestrigen Sendung zusammengefasst werden.

So einleuchtend es ist, dass eine brutale Spielwelt, in der Grausamkeit trainiert wird, keine Existenzberechtigung zugebilligt werden muß und sollte, und dass Sportwaffen selbstverständlich so verwahrt werden müssen, dass ein mißbräuchlicher Zugriff auf sie nicht möglich ist, so fragwürdig ist es, die Diskussion auf diese beiden Aspekte zu verengen. Noch immer besteht kein wirklicher Aufschluß darüber, was den jugendlichen Täter von Winnenden zu seiner Wahnsinnstat angetrieben hat, und es darf bezweifelt werden, ob denn ein gesetzliches Verbot von Killerspielen und noch schärfere Waffengesetze die Tat wirklich verhindert hätten.

Kaum Zweifel dürften hingegen daran bestehen, dass mit der Existenz von Killerspielen und Sportwaffen allein kaum erklärt werden kann, weshalb sich in Winnenden der Aggressionsausbruch eines Jugendlichen ereignete, dessen Grausamkeit sich an Schülern und Lehrern seiner ehemaligen Schule entlud. Ist dies nur Zufall? Erklärt sich dies nur daraus, dass eine Schule eben einfach nur eine vertrautes Feld für ihn war, das ihm eine einfache Gelegenheit zu einer solchen Tat bot? Oder stecken nicht tiefer liegende Gründe dahinter, wenn Schüler und Lehrer zu Opfern eines Schülers oder ehemaligen Schülers werden? Richtet ein Mensch andere Menschen reihenweise und planmäßig hin, wenn er für diese auch nur ein Stück Liebe oder Zuneigung empfindet? Verübt ein Mensch eine solche Bluttat an einer Stätte, in der er Geborgenheit fand, und die ihm eine liebgewordene Heimstätte in seinem noch jungen Leben geworden ist? Es darf die Hypothese formuliert werden, dass er sich unter solchen Umständen vermutlich kaum diesen Ort als Tatort gewählt hätte. Vielleicht einen anderen, wenn er, tatsächlich auf Grund des Aufbaus eines inneren, in Killerspielen erworbenen Tötungsdrangs einen Tatort suchte, sicherlich aber nicht diesen und die dort lernenden und lehrenden Menschen. Niemand richtet planmäßig Menschen in einer Gruppe hin, die ihm lieb geworden ist.

Schon deshalb griff die erneute Diskussion in Maybritt Illners Runde über Killerspiele und Sportwaffen zu kurz und blendete zentrale Fragen eines solchen Geschehens aus. Die Sendung beschäftigte sich zwar mit zwei wichtigen Handlungsfeldern, eben Killerspielen und der Verwahrung von Sportwaffen, den Fragen nach den tieferen Ursachen ging die Talkrunde jedoch leider nicht auf den Grund, nicht einmal in Ansätzen. Auch der verständliche und nicht neue Vorschlag von Renate Künast, es müssten mehr Psychologen an die Schulen, beantwortet diese Fragen nicht. Sie mögen diagnostische und therapeutische Hilfestellung geben, die krankhaften Ursachen beseitigen sie indes kaum. Diesen muß nachgegangen werden. Geschieht dies nicht, gehören vielleicht künftig sogar noch Psychologen selbst zu den Opfern solcher Gewalttaten, was Gott verhüten möge. Die Beschäftigung mit den tiefer liegenden Ursachen ist eine Verpflichtung, die den Opfern geschuldet ist, schon um künftig nicht weitere Menschen Opfer werden zu lassen.

In den Schulklassen, die in Winnenden unmittelbar betroffen waren, versucht man behutsam das Geschehen aufzuarbeiten. Die Lehrer arbeiteten mit Ritualen, schrieb die "Süddeutsche Zeitung (SZ)" am 24.03.09. So frühstücke man gemeinsam zum Unterrichtsbeginn, und es gebe auch ein Abschiedsritual, erklärte die Schulrektorin in der SZ. Dies ist sicher keine schlechte Idee. Vielleicht wäre ein gemeinsames Gebet zum Unterichtsbeginn eine weitere Hilfe, das Geschehene zu verarbeiten und zu einem guten Miteinander zu finden, nicht nur in diesen Klassen und nicht nur in diesen Tagen. Und zum gemeinsamen Frühstück und Gebet braucht man nicht einmal Psychologen. Einige bedenkenswerte Antworten hat dazu unlängst Enja Riegel, die bekannte Autorin und ehemalige Schulleitern gegeben, über die MEDRUM berichtete.

MEDRUM-Artikel -> Was tun nach einem Amoklauf wie in Winnenden?