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Videoüberwachung hilft nicht gegen Sterben


19.09.09

Videoüberwachung hilft nicht gegen Sterben

Ein Nachruf von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Die grausame Schreckenstat vor einer Woche auf dem S-Bahnhof von München-Solln beantworten einige Politiker mit der Forderung nach dichterer Video-Überwachung. Auch nach höheren Strafen wird gerufen. Hätten höhere Strafen oder Video-Überwachung geholfen?

Wie aus den Ermittlungen und den Schilderungen aus dem Kreis der vier bedrohten Kinder hervorgeht, haben die Schläger auf dem S-Bahnhof München-Solln in brutalster Weise auf den Mann eingeschlagen, der sich zuvor schützend vor vier Kinder gestellt hatte. Ein dreizehnjähriges Mädchen aus der Gruppe schildert, dass sie um Hilfe gerufen hätten, aber niemand gekommen sei, um den Mann gegen die tödlichen Schläge und Tritte in Schutz zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren mehr als 10 erwachsene Personen in unmittelbarer Reichweite. Einige haben zwar offenbar den Tätern zugerufen, sie sollten aufhören, sie haben aber nichts unternommen, diese an ihrer Gewalttat zu hindern. "Wir haben 'Helft uns!' geschrieen, aber die Leute sind vorbeigegangen", erzählt Sarah über dieses traumatische Schreckenserlebnis.

Am Tod des Mannes hätten auch Videokameras nichts geändert. Ebenso wenig hätten höhere Strafen etwas bewirkt. Keiner der Täter hat im Augenblick seiner haßerfüllt entfesselten Aggression an die Höhe des Strafmaßes gedacht. Einzig und allein drei oder vier beherzte Personen, die sich den Tätern hätten entgegenstellen müssen, hätten hier etwas ausrichten können. Vielleicht hätte es schon genügt, wenn einige Erwachsene bereit gewesen wären, gemeinsam und entschlossen auf die Täter zuzugehen, notfalls auch an der Seite des zu Tode geprügelten Mannes den Angreifern entgegenzutreten. Dies hätte seinen Tod verhindern können. Vielleicht um den Preis, einige Blessuren davon zu tragen. Aber wären diese das Menschenleben dieses Mannes nicht allemal wert gewesen? Diese Frage muß sich jeder stellen, der in dieser Situation gestanden hat oder in eine solche Situation hineingeraten sollte.

Der Ruf nach mehr Videokameras zeigt die Verlegenheit einer Gesellschaft, die weithin den Blick, den Mut und die Bereitschaft verloren hat, das Notwendige für den Nächsten zu tun. Wäre dies in München-Solln geschehen, wäre es nicht nötig geworden, den heldenhaften Tod eines Mannes zu beklagen, um ihn zu trauern und ihm posthum zu danken. Nichts tröstet darüber hinweg, dass er im entscheidenden Moment von Mitmenschen im Stich gelassen wurde. Damit wurden auch die Kinder, denen seine Hilfe galt, von anderen im Stich gelassen. Sie schrieen um Hilfe, doch keiner half. Videokameras hätten nichts an diesem grauenhaften und beschämenden Geschehen geändert. Sie würden lediglich die Scham derer erhöhen, die tatenlos zusahen oder wegschauten, die vorbeigingen und aus welchen Gründen auch immer nicht eingeschritten sind.

Der 50-jährige Dominik Brunner hat anders gehandelt. Er hat sich ein Herz genommen und schützend vor junge Mitmenschen gestellt. Ich danke Dominik Brunner dafür, dass er mir ein Vorbild dafür geworden ist, wie zivilisierte Menschen und Christen handeln sollten. Er hat weit mehr als nur Zivilcourage bewiesen. Mit Mut, Tapferkeit und selbstloser Hilfsbereitschaft ist er der teuflischen und gnadenlosen Brutalität einiger Heranwachsender entgegengetreten. Er hat der Barbarei dieser raublustigen Schläger in seiner Person eine unüberwindbare Grenze gesetzt. Er ist nicht gewichen. Die Täter und ihre unbarmherzige Gewalt sind an ihm gescheitert.

Am Freitag wurde er im Familienkreis beigesetzt. Wenn sich andere an ihm ein Beispiel nehmen, dann hat sein Tod nicht nur für die in Schutz genommenen Kinder einen Sinn gehabt.