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Steuerzahler sollen Heuschrecken, Raubtiere und Monster füttern


22.09.08
Steuerzahler sollen Heuschrecken, Raubtiere und Monster füttern

Zwischenruf von Karl Heine

(MEDRUM)  Siebenhundert Milliarden ist die Geldmenge, mit der die Regierung der USA das Vertrauen in die Finanzmärkte wieder herstellen will, um einen Kollaps des gesamten Finanzsystems zu verhindern. Damit sollen Hypotheken für Wohn- und Geschäftsimmobilien sowie mit Hypotheken besicherte Wertpapiere erworben werden, um die Kredit- und Finanzkrise zu überwinden.

Die Begriffe Raubtierkapitalismus, Heuschrecken und Monster sind allen in Erinnerung. Sie wurden von deutschen Persönlichkeiten benutzt um ein Finanzsystem zu beschreiben, dessen Krise durch die Pleiten großer amerikanischer Banken und Finanzinstitute ungeahnte Ausmaße angenommen hat. Siebenhundert Milliarden US-Dollar (700.000.000.000 = 7*1011) sind ein Betrag, der das Zweifache des gesamten deutschen Bundeshaushalts übersteigt, in dem die Gesamteinnahmen des Bundes im Jahr 2008 auf 238 Millarden Euro beziffert wurden. Da kann es auch kein Trost sein, dass diese gigantische Summe noch etwas unterhalb der Ausgaben liegt, die die US-Regierung bisher für den Irak-Krieg und seine Folgen aufgewendet hat. Angesichts des ohnehin schon großen Defizits des Haushalts der USA ist dies eine Belastung, die nicht ohne Risiken und vermutlich spürbare Folgen verkraftbar ist. So verwundert es nicht, dass Banken- und Finanzexperten auf ein hohes Risiko hinweisen, wenn der Steuerzahler für die Verluste aufkommen muß, die im Finanzsystem eintreten. Bankenexperten sehen ein hohes Risiko für den US-Haushalt, das die Steuerzahler teuer zu stehen kommen könnte. Dem Steuerzahler drohe "eine erhebliche Rechnung", sagte Commerzbank-Experte Bernd Weidensteiner.

Die Bundeskanzlerin äußerte sich zu diesem Geschehen gegenüber dem Münchner Merkur mit der Bemerkung, es müsse für mehr Transparenz gesorgt werden und es müsse mehr internationale Vereinbarungen geben. Das ist keine neue Erkenntnis. Der Vize-Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) John Lipsky hatte bereits im März geäußert, die Finanzkrise sei so schlimm, dass notfalls riesige Ausgabenprogramme notwendig seien, um die Weltwirtschaft zu stabilisieren. Nicht zuletzt hatte auch Bundespräsident Köhler bereits im Mai auf die dringende Notwendigkeit der besseren Regulierung der internationalen Finanzmärkte hingewiesen und sie als Monster bezeichnet. Bisher sind keine konkreten Schritte erkennbar geworden, die die deutsche Bundesregierung unternommen hat, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. In der Bilanz vor der Sommerpause hatte Angela Merkel weder entsprechende Maßnahmen verbuchen können noch auf die Notwendigkeit solcher Maßnahmen für die weitere Regierungsarbeit hingewiesen.  Ihre Bilanz war schon aus anderen Gründen in die Kritik geraten. Der Spiegel nannte Merkel deswegen die "Alles-ist-gut-Kanzlerin". Als Projekte für ihre weitere Regierungsarbeit stellte sie die Gesundheitsreform mit dem Gesundheitsfonds, die Erhöhung des Kindergeldes und Kinderfreibetrags, die Erbschaftsteuerreform, die Fortsetzung der Haushaltspolitik und den Bildungsgipfel zwischen Bund und Ländern heraus. So wichtig die Gesundheits-, Bildungs- und Familienpolitik sind, kann auch festgehalten werden: Mit dem Krippenausbauprogramm wird man weder die Kinderarmut der deutschen Gesellschaft durch eine Steigerung der Geburtenzahl beseitigen können noch das drohende Unheil der Finanzkrise für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes abwenden können. Auch vom Gesundheitsfonds, der Erbschaftssteuerreform und vom Kinderfreibetrag ist da leider wenig Hilfe zu erwarten.

Angela Merkel und mit ihr die deutschen Bürger sitzen nicht erst seit vergangener Woche auf einem Pulverfaß, dessen Lunte schon seit einiger Zeit brennt. Kommt es zur Explosion, könnte dies die ohnehin bescheidenen wirtschaftlichen Erfolge und Verbesserungen in der Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes sehr schnell zunichte machen. Vor diesem Hintergrund nehmen die Vorführungen deutscher Kabarettisten, die jüngst Angela Merkels Regierungstätigkeit als das einer Regierungschefin aufs Korn genommen haben, die sich mit Vorliebe als eine Art Superaußenministerin betätige, fast schon  beklagenswerte Züge an. Gespräche mit Russlands Präsident Medwedew,  in denen sie für die Aufnahme Georgiens in die NATO plädierte, scheinen weder hilfreich - zumindest wenn man Aussagen des Altbundeskanzlers Schröder heranzieht - noch das Gebot der Stunde zu sein, um die großen internationalen Herausforderungen bestehen zu können. Zusätzliche Beobachter in Georgien zu haben, ist eine Sache, wachsame Augen für die nationale und internationale wirtschaftliche Entwicklung zu haben und die nötigen Schritte zu unternehmen, um den Kollaps des internationalen Finanz- und Wirtschaftssystem zu verhindern, ist eine andere, vermutlich noch wichtigere Sache. 


MEDRUM-Artikel

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-> Der Aufschwung ist dahin - Die Stimmung der Wirtschaft ist schlecht geworden

-> Der Merkel-Auftritt im Sommertheater