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Rückzug oder Stabilität?


24.06.09

Rückzug oder Stabilität?

Drei Bundeswehrsoldaten in AFGHANISTAN Opfer eines terroristischen Anschlages

Ein Kommentar von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Bei einer Patrouillenfahrt in der Nähe der nordafghanischen Stadt Kundus wurde gestern ein Transportpanzer Fuchs angegriffen. Bei einem Ausweichmanöver infolge eines feindlichen Beschusses  kam das Transportfahrzeug von der Fahrbahn ab und überschlug sich. Dabei fanden drei Soldaten der Fahrzeugbesatzung den Tod.

Wie die FAZ berichtet, waren die Soldaten nach Angaben der Bundeswehr im Rahmen einer umfangreichen Operation gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften im Distrikt Chardara südwestlich von Kundus unterwegs, um gegen das Verbringen von versteckten Sprengfallen vorzugehen. Am Vormittag wurde dabei eine deutsche Patrouille etwa sechs Kilometer vom Feldlager Kundus entfernt mit Gewehren und Panzerfäusten beschossen. Die Soldaten erwiderten das Feuer mit den Bordwaffen ihrer Fahrzeuge und ihren Handwaffen. Wie das Verteidigungsministerium mitteilte, kam ihr Fahrzeug, ein Transportpanzer „Fuchs", bei einem Ausweichmanöver in schneller Rückwärtsfahrt von der Fahrbahn ab und überschlug sich mehrmals. Dabei starben drei Soldaten während vier weitere Insassen den Sturz nach ersten Angaben unverletzt blieben.

Mit dem gestrigen Anschlag stieg die Zahl der in Afghanistan getöteten Bundeswehr-Soldaten auf 35. Der Vorfall bringt die Forderung in Erinnerung, die Bundeswehr solle sich aus Afghanistan zurückziehen, wie von Oscar Lafontaine gefordert. Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung hält demgegenüber am Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan fest. "Wir müssen den Terroristen entgegentreten", erklärte er im ZDF.

Jedes Opfer ist unendlich tragisch für die betroffenen Menschen und die Gemeinschaft, die Menschen in ein Konfliktgebiet wie Afghanistan entsendet, um den Menschen dort eine bessere, eine friedlichere Zukunft und Sicherheit zu gewähren. Auch für die Verantwortlichen in der Politik ist es bestürzend, wenn Sie es hinnehmen müssen, dass ein solcher Einsatz für den Frieden nicht geleistet werden kann, ohne tragische Opfer beklagen zu müssen.

Doch was ist die Alternative? Gibt es eine bessere Alternative? Ist der schnelle Rückzug die Alternative, wie er von Lafontaine gefordert wird?

Sicher, würde der Deutsche Bundestag entscheiden, die Bundeswehr zurückzuziehen, wären zunächst keine weiteren Soldaten zu beklagen, die Opfer grausamer Angriffe in Afghanistan werden. Doch wäre damit die Grausamkeit des Terrors für ein Land wie Afghanistan beendet? Ganz sicher nicht. Denn Rückzug vor den terroristischen Kräften in Afghanistan würde die Menschen dort erneut dem Terror von Kräften wie den Taliban preisgeben. Was dies bedeutet, müsste allen aufgrund der Grausamkeit, mit der die Taliban in Afghanistan herrschten, noch in guter Erinnerung sein. Rückzug würde auch bedeuten, dass Deutschland die anderen Nationen, die sich dort dem Terror entgegenstellen, alleine läßt, ihnen die Solidarität im Kampf gegen Terror verweigert. Und Rückzug würde auch bedeuten, dass dem Terror in Afghanistan erneut ohne Gegenwehr eine Basis überlassen wird, von der aus er auch die Menschen in Europa verstärkt bedrohen würde, wie dies bereits beim Terroranschlag in Madrid der Fall gewesen ist.

Wem es ernst ist mit dem Eintreten für Menschenrechte, Frieden und Sicherheit, der kann sich nicht auf verbale Bekundungen beschränken. Diese leidvolle Erfahrung lehrt nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart. Wer für Menschenrechte, Frieden und Sicherheit eintreten will, kann dies nur glaubhaft tun, wenn er auch bereit ist, dem Terror entgegenzutreten und ihm seine Möglichkeit zu nehmen, sich auszubreiten und Menschen gnadenlos zu seinen Opfern zu machen. Das geht nicht alleine mit zivilem Aufbau. Ziviler Aufbau braucht Stabilität und Sicherheit. Und das geht nicht ohne Abwehr von Terror durch Soldaten, wie dies durch das Aufspüren und Beseitigen von hinterhältigen Sprengfallen bei der gestrigen Operation geschehen ist. Und dies geht auch nicht ohne schmerzlichste Opfer, so bitter und tragisch dies für die unmittelbar betroffenen Menschen und uns alle ist.

Deswegen ist der Dienst dieser Soldaten ein sinnvoller, unverzichtbarer und unschätzbarer Dienst für die Menschen, der höchste Anerkennung verdient und auch weiterhin geleistet werden muß. Nur dann behält das Opfer, das viele Soldaten, ihre Familien und Angehörigen gebracht haben, letztlich auch seinen Sinn als Dienst, der für Frieden, Sicherheit und Menschenrechte wirkt. Diesem Dienst ist unser Land in besonderer Weise verpflichtet.

Deswegen bleibt auch Verteidigungsminister Franz-Josef Jung keine Alternative als Ja zu sagen zum Kampf gegen Terror und zum Einsatz von Soldaten für den Frieden. Das Wichtigste, was er für diesen Einsatz tun kann, ist dafür zu sorgen, dass der Einsatz deutscher Soldaten an einem klugen politischen Konzept ausgerichtet ist und die Soldaten bestmöglich ausgebildet und ausgerüstet sind, um ihren Auftrag erfüllen zu können, und dass sie dabei so wirksam wie möglich gegen terroristische Anschläge geschützt sind. Für die Soldaten im Einsatz ist dies von entscheidender Bedeutung. Das gehört zur Kernaufgabe der deutschen Politik für einen Auslandseinsatz wie in Afghanistan, einerlei ob dies als Kriegseinsatz oder Einsatz für den Frieden bezeichnet wird. Für die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, ihre gefallenen Kameraden und die Hinterbliebenen hat es nur rhetorische Bedeutung, ob von Krieg oder Einsatz für den Frieden gesprochen wird.