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Glücksfall oder Krisenfall?


21.03.09

Glücksfall oder Krisenfall?

Die "Alles-ist-gut-Kanzlerin" am Sonntag bei Anne Will

(MEDRUM) Unmut und Kritik um die Person von Angela Merkel werden am Sonntag bei Anne Will Thema ihrer Talkrunde sein, für die der deutsche Gebührenzahler etwa 10 Millionen Euro pro Jahr aufwenden muss. Anne Will und ihre Will Media GmbH präsentieren dieses Mal als prominenten Gast die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die 60 Minuten Sendezeit sind exklusiv für Angela Merkel reserviert.

Sie sei ein"Glücksfall" für die CDU, so nannte Anette Schavan kürzlich die Kanzlerin. Bei Anne Will wird Angela Merkel nun unterstreichen können, ob sie das Prädikat verdient, das ihr Anette Schavan verliehen hat, und ob sie eine CDU-Vorsitzende ist, die Deutschland aus der Krise heraus zu neuer Stärke führen kann. Wer jedoch die Abschiedsvorstellung von Angela Merkel in Erinnerung hat, die sie im letzten Jahr zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause gegeben hatte, darf schon jetzt Zweifel anmelden, ob Angela Merkel das Format einer Kanzlerin hat, die ein solches Vertrauen rechtfertigt. Wer der Analyse von Karl Feldmeyer in der "Freien Welt" folgt, kommt wie er zu anderen Schlüssen. Die CDU kämpfe zwar noch um Mehrheiten, aber nicht mehr darum, das geistige Koordinatensystem zu prägen, an dem Ethik und Politik in Deutschland beurteilt werden und nach dem sie ihr Tun und Lassen selbst auszurichten hätte, so lautete sein Fazit für die CDU auch unter Führung von Angela Merkel.

Zu einem nüchternen Fazit kommt auch, wer einen Blick auf die Entwicklung des vergangenen Jahres wirft. Ende Juli 2008 nannte Angela Merkel bei ihrer Pressekonferenz vor der Parlaments-Sommerpause als Projekte für die weitere Regierungsarbeit bis zum Ende der Legislaturperiode:

  • die Gesundheitsreform mit dem Gesundheitsfonds
  • die Erhöhung des Kindergeldes und Kinderfreibetrags
  • die Erbschaftsteuerreform,
  • die Fortsetzung der Haushaltspolitik
  • den Bildungsgipfel zwischen Bund und Ländern.

Allein der Blick auf diese Projekte zeigt, dass kaum von wirklich erfolgreicher Regierungspolitik gesprochen werden kann. Auf keinem dieser Gebiete sind bislang wirklich überzeugende Ergebnisse, sondern allenfalls bescheidene Ansätze vorzuweisen, wie mit bekannten Problemen verfahren werden soll. Aber, jenseits dieser allseits bekannten Politikfelder ist viel gewichtiger festzuhalten: Kein Wort fiel zur Lage und zur Notwendigkeit der Regulierung der internationalen Finanzmärkte, kein Wort zur Lage bei den deutschen Banken, keine  Regung über deren krisenhafte Erscheinungen und ihre Bekämpfung. So präsentierte sich Angela Merkel zu diesem Zeitpunkt mit profanen Regierungsgeschäften und als größten Wunsch für das vergangene Jahr nannte sie, dass die CSU "50 plus X" erreiche. Das Wochenmagazin "Der Spiegel" nannte sie denn auch mit einer berechtigten Portion Sarkasmus die "Alles-ist-gut-Kanzlerin".

Die Republik stand unmittelbar davor, in eine Finanz- und Wirtschaftskrise unvorstellbaren Ausmaßes hineinzuschlittern und Angela Merkels größter Wunsch lautete: für die CSU "50 plus X".  Treffender kann die groteskenhafte Szenerie kaum verdeutlicht werden, in der sich Angela Merkel um Lichtjahre entfernt von der Realität bewegte. Nur einige Wochen später, als es auch der Letzte begreifen musste, musste sie dann bekennen, dass wir in einer schweren Krise stünden. Wer meint, dies sei nicht absehbar gewesen, irrt. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht zuletzt Bundespräsident Horst Köhler hatte bereits zwei Jahre zuvor und erneut im Mai letzten Jahres mahnend auf das brisante Geschehen im internationalen Finanzsystem durch sein berühmt gewordenes Wort von den Monstern und die dringend notwendige Regulierung hingewiesen (MEDRUM-Artikel Bundespräsident Köhler kritisiert Finanzmärkte). Und dennoch war dies für Angela Merkel kein Grund, auch nur ein Wort über die krisenhaften Entwicklungen bei der Bilanz ihrer Regierungsarbeit und Fortsetzung der Arbeit der Koalition im letzten Sommer zu verlieren. Sie schien in einem Dornröschenschlaf dahin zu dämmern, wog sich selbst und die Bürger dieses Landes in trügerischer Sicherheit und präsentierte sich eben als jene "Alles-ist-gut-Kanzlerin" von der der Spiegel sprach.

Wer die Lage derart falsch eingeschätzt und die in der Politik zu setzenden Gewichte verkannt hatte, muß sich die kritische Frage gefallen lassen, ob er wirklich ein Glücksfall für die CDU und, viel wichtiger, für dieses Land ist. Sie ist es vermutlich nicht einmal für die CDU, und wohl noch viel weniger für dieses Land: Angela Merkel, kein Glücksfall, sondern wohl eher eine überschätzte Kanzlerin, die in einer kritischen Phase der CDU nach oben gespült wurde und sich seither mit machtpolitischem Instinkt oben zu halten wußte, mehr nicht. Das macht aber noch lange keine Staatsfrau aus, die dieses Land sicher aus der Krise heraus zu neuer Stärke führen könnte.

Dieser Mangel an Vertrauen spiegelt sich auch in den Umfragewerten wieder, die sich ebenso krisenhaft entwickeln wie die Lage im Finanzsystem und der Wirtschaft. Dass davon insbesondere die FDP profitiert, mag Angela Merkel beruhigen, die auf die Fortsetzung ihrer Kanzlerschaft in einer Koalition mit der FDP hoffen kann, für dieses Land ist es keinesfalls Grund zur Beruhigung. Das Versagen der FPD in entscheidenden Fragen des finanziellen und wirtschaftlichen Wohlergehens übersteigt die Fehlleistung der CDU unter Führung von Angela Merkel um einiges. Denn diese FDP ist diejenige politische Kraft in Deutschland, die in der Vergangenheit genau das Gegenteil von dem vertreten hat, was notwendig gewesen wäre. Die FDP hat sich der Notwendikeit der Regulierung der Finanzmärkte nämlich stets am stärksten widersetzt. Erst nach dem größten Ausbruch der seit Jahren schwelenden Krise hat sie sich beeilt, einen neuen Kurs einzuschlagen. Dies alles ist nicht gerade verheißungsvoll. Statt von einer abgewirtschafteten SPD wird Angela Merkel - falls sich ihre Hoffnung erfüllt - dann von einer FDP flankiert, die als falscher Ratgeber der Vergangenheit am wenigsten dazu berufen ist, Deutschland aus der Krise herausführen zu können.

Dass Angela Merkel einziger Gast in der Sendung von Anne Will sein wird, ist ebenso wenig verheißungsvoll. Wie Anne Will schon in früheren Sendungen bewiesen hat, ist ihr kaum zuzutrauen, mit Angela Merkel ein wirklich kompetentes Gespräch zu führen, das die notwendigen Zusammenhänge an den Tag bringt und so durchleuchtet, dass daraus die richtige Schlüsse gezogen werden können (wie MEDRUM hörte wurden im Vorfeld der Sendung auch die Versuche gestrichen, etwa Kritiker der Familien- und Lebensrechtspolitik der Kanzlerin zu Wort kommen zu lassen). Die Überschrift der Sendung "Kanzlerin zwischen den Fronten" deutet darauf hin, dass es Anne Will mehr darum gehen könnte, die Figur Angela Merkel im Widerstreit der deutschen Parteienlandschaft und der Kritik aus den eigenen Reihen darzustellen als die für dieses Land wirklich wichtige Frage von strategischer Bedeutung zu erörtern, wie diese Kanzlerin das Land aus der Krise heraus zu neuer Stärke führen will. Gerade in dieser Frage aber könnte die auf vielen Gebieten profillos erscheinende Angela Merkel durch klare Orientierung und überzeugende Konzepte ein Profil gewinnen, das den Bürgern dieses Landes neue Zuversicht geben und neue Kräfte freisetzen könnte.

Die Regierungserklärung vom 19.03.09 konnte diese Forderung noch nicht erfüllen. Die Verkündigung allgemeiner Leitsätze wie "die Krise gemeinsam meistern" und "der Wille ist da" sowie die ernüchternde Erkenntnis, alle Wirtschaftsräume seien jetzt von der Krise betroffen, weisen weder einen klaren Weg zur Schadensbegrenzung noch zur Schadensbehebung, und sie weisen erst recht nicht den Weg, wie zu neuer Stärke gefunden werden kann.  Es  fehlt auch hier noch an dem für die Orientierung so wichtigen Koordinatensystem und vor allem an klar abgesteckten Wegmarken. Es gibt mehr Fragen als Antworten. Das hat zuletzt auch die Krise um Opel gezeigt. Helfen kann jedoch nur ein klares Konzept und ein überzeugender Plan für das konkrete politische Handeln. Vielleicht präsentiert Angela Merkel diesen Masterplan für den Weg zu neuer Stärke bei Anne Will. Wer darauf hofft, muss am Sonntagabend um 21.45 Uhr die ARD einschalten. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Leserbriefe

Mit der Analyse bin ich sehr einverstanden.Wenn ehemalige CDU-Ministerpräsidenten aus der CDU austreten (Münch) und mir zahlreiche CDU_Mitglieder erklären Merkel auf gar keinen Fall dieses Mal zu wählen ,dann erklären sich die dramatisch fallenden Umfragewerte.Der subtanzlose Linkskurs dieser Kanzlerin führt stracks dahin wo ihre Schwesterpartei in Italien,die democracia christiana ,gelandet ist nämlich bei vier Prozent der Wählerstimmen.Eine Partei des "Leipziger Allerlei" braucht niemand,am wenigsten die noch verbliebenen von ihr verachteten Konservativen.

Dr. Furch