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Es kommt noch schlimmer


07.08.09

Es kommt noch schlimmer

Abwärtstrend bei den Geburtenzahlen hält 2009 an

von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Für den Monat April 2009 hat das Statistische Bundesamt nun die vorläufigen Geburtenzahlen veröffentlicht. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist ein kräftiges Minus von 6,9 Prozent zu verzeichnen.

Ein Monatsrückgang der Geburten von knapp 7 Prozent wäre für sich selbst besehen nichts Außergewöhnliches. Wie die neue Eurostatistik über die Zahl der Geburten im Jahr 2008 in Europa zeigte, liegt Deutschland aber mit den Geburtenzahlen an letzter Stelle aller EU-Staaten. Und die jetzt vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen für April 2009 zeigen im mehrmonatigen Verlauf, dass auf Besserung keine Aussicht besteht, im Gegenteil: Es kommt noch schlimmer. Denn der Geburtenrückgang in den ersten vier Monaten des Jahres 2009 zeigt einen weiteren Rückgang von insgesamt 5,8 Prozent. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind die Geburten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12.700 Neugeborene gesunken. Dieses Minus in einem Viermonatszeitraum beträgt in absoluten Zahlen mehr als der von Ursula von der Leyen mit Jubel für ihre Familienpolitik gefeierte Anstieg im gesamten Jahr 2007.

Hoffnungsvoll stimmt dies nicht. Nach den Maßstäben einer Ursula von der Leyen müsste die Ministerin angesichts des jetzigen, erdrutschartigen Abfalls in 2009 geradezu die Katastrophensirenen läuten. Doch statt Sirenengeheul ist allenfalls Stille oder Beschwichtigung zu vernehmen. Stattdessen verkündet die heutige Pressemitteilung aus dem Familienministerium, dass die 30 Sieger des Programms "Wohnen für (Mehr)Generationen - Gemeinschaft stärken, Quartier beleben" feststünden. Der demographische Wandel käme unausweichlich auf uns zu, heißt es darin auf den wachsenden Anteil älterer Menschen hinweisend. Diesem Satz kann kaum jemand seine, wenn auch wenig freudige Zustimmung verweigern. Denn ein maßgeblicher Grund liegt an der mangelnden Kinderfreudigkeit, die nun schon 4 Jahrzehnte in Deutschland anhält.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wirkt es fast schon zynisch daran zu erinnern, dass die Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ausgerechnet zu Anfang des Jahres noch von den Lesern des Unternehmermagazins "Markt und Mittelstand" für die Auszeichnung "Initiative für den Mittelstand" im Jahr 2009 ausgewählt wurde.  "Über diese Auszeichnung freue ich mich wirklich sehr ... Eine schönere Bestätigung für die politische Arbeit gibt es kaum", sagte die Bundesfamilienministerin anlässlich der Preisübergabe.

Auch wer Ursula von der Leyen die Auszeichnung gönnt, dürfte indes zustimmen, dass die wohl schönste Bestätigung für ihre politische Arbeit in einer steigenden Wertschätzung von Kindern in dieser Gesellschaft zum Ausdruck gekommen wäre und sich am Kinderzuwachs, jedoch weniger an steigenden Frauenwerbsquoten und ihrem Engagement für einen größeren Frauenanteil an Führungspositionen in der Wissenschaft und Wirtschaft hätte zeigen sollen.

Die Realität sieht jedoch anders aus. Die verfrühten Erfolgsmeldungen der Ministerin in 2008, es seien im Jahr 2007 12.000 Kinder mehr als 2006 geboren worden und der Trend halte in 2008 an, stehen im Gegensatz zur tatsächlichen Entwicklung seither. Nach einem demographisch nicht gerade bedeutsamen Anstieg in 2007 von 1,8 Prozent war im Jahr 2008 wieder ein Geburtenrückgang zu verzeichnen und allein in den ersten vier Monaten 2009 sind über 9000 Kinder weniger zur Welt gekommen als im Jahr 2007.

Diese Entwicklung ist trotz ihrer immer wieder hochgelobten familienpolitischen Maßnahmen wie beispielsweise des Elterngeldes und besserer Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie eingetreten. Auch die realen Geburtenzahlen des Monats April gehen wenig rücksichtsvoll mit dieser Ministerin um. Ursula von Leyen muß bei der Suche nach Bestätigung für ihre politische Arbeit auch weiterhin mit dem Preis "Initiative für den Mittelstand" Vorlieb nehmen. Der proklamierte Anstieg des Wunsches nach Kindern ist ausgeblieben (die Geburtsrekorde in Potsdam,  wo der zu Ende gegangene Juli geburtenstärkster Monat im Klinikum „Ernst von Bergmann" seit 1990 ist, bleiben eine rühmliche Ausnahme). Daran wird sich für den Rest der Legislaturperiode wohl kaum noch etwas ändern.


-> Erschreckende Zahlen und düstere Perspektiven

-> Negative Geburtenbilanz im ersten Quartal 2009

-> Geburtenrückgang steuert historisches Tiefstniveau an


 

Leserbriefe

War es wirklich so überraschend, das die Ressortministerin von der Leyen mit ihrer Familienpolitik gescheitert ist? Fachleute haben das bereits vor Jahren vorausgesagt. Die Krippenpolitik ist unbezahlbar, die Geburtenlüge schlicht Betrug und auch das Elterngeld war ein Hohn. Wer Familie entwertet, wer Kinder aus der Familie in staatliche Obhut mit nicht qualifiziertem Personal entsorgt, braucht sich nicht zu wundern, dass keiner mehr Lust hat auf Kinder. Kinder bedeuten ja nur Verzicht, Karriereende und mit der Vereinbarkeit läuft es auch nicht so rund. Die Väter wollen auch nicht die unliebsamen Arbeiten übernehmen, die die Frauen abgeben wollen und auch die Mutter gilt eben immer noch als abhängig vom Mann, die sich außerdem ein schönes Leben auf Kosten anderer macht. Dass Kinder Spaß und Freude machen, wird selten vermittelt. Eltern machen lt. Politik keinen guten Job, sie verwahrlosen, sie sind nicht qualifiziert und kaufen Flachbildschirme. Ist es da ein Wunder? Wir haben die Gesellschaft und die Politiker, die wir gewählt haben. Warum erhalten Mütter nicht die Subvention der Krippen? Warum gibt es keine familiengerechte Steuerpolitik? Warum werden Mütter, die sich um ihre Kinder kümmern, diskriminiert? Erst wenn das geändert wird (und da gibt es genug Vorbilder), bekommen die Paare auch wieder Lust auf Kinder.

Liebe Frau Kuhla,

bitte nicht so schwarz-weiß. Wenn Mütter die Subvention der Krippen erhielten, wäre das für einige Familien das Beste, was ihnen und unserer Gesellschaft passieren könnte. Ihre Kinder würden sorgfältig und in Liebe aufgezogen, erhielten Werte vermittelt und würden Schule und Ausbildung mit einem guten Abschluss verlassen. Da haben Sie sicher Recht.

Das Problem ist: Man wird die Spreu vom Weizen trennen müssen. Denn es gibt ja auch die Anderen. Jene Mütter, die das Kindergeld heute schon in Zigaretten und Alkohol investieren, und die Erziehung ihrer Kinder im Wesentlichen Streetworkern und Sozialarbeitern überlassen. Ich weiss nicht, in welchem Teil Deutschlands Sie persönlich wohnen - vielleicht haben Sie schon einmal vom christlichen Kinderprojekt "Die Arche" in Berlin gehört, einer Suppenküche für vernachlässigte Kinder. Ich jedenfalls habe arge Probleme mit der Vorstellung, dass Mütter, deren Kinder so verwahrlosen, dass sie von solch einem Projekt betreut werden müssen, dafür auch noch ein Erziehungsgehalt erhalten. Denn eine Erziehungsleistung erbringen sie ja faktisch nicht. Noch einmal: Ich weiß, dass die meisten Familien um eine sorgfältige Erziehung ihrer Kinder bemüht sind. Ich weiß, dass sich gerade christliche Eltern auf diesem Gebiet anstrengen. Ich weiß, dass es solche Probleme wie im Osten Berlins auf der Schwäbischen Alp, im Erzgebirge und im Siegerland nur selten gibt. Aber wenn Sie das Erziehungsgehalt fordern, hätten auch die Mütter der Arche-Kinder einen Rechtsanspruch darauf.

Gut, nun können Sie sagen: Die einen Mütter sollen das Geld kriegen, die anderen nicht. Das wird nicht funktionieren. Weil man dann nämlich Kriterien aufstellen müsste, was gute Erziehung ist. Dann müssten Einrichtungen wie das Jugendamt auch "gesunde", christliche Familien regelmäßig überprüfen. Das Geschrei von all den Organisationen, die schon heute staatliche Eingriffe in die Kindererziehung ablehnen, wäre nicht zu überhören. Deswegen glaube ich nicht, dass es ein Erziehungsgehalt jemals geben wird, auch wenn ich es vielen Müttern sicher wünsche. Aber: Es wäre schlicht und einfach nicht praktikabel umzusetzen.

Halte Frau Kuhlas Analyse für absolut zutreffend. Solange die Politik glaubt, "geänderte Lebensrealitäten zur Kenntnis nehmen" zu müssen statt für ein Familien, besonders Kinder bejahendes Klima die Bedingungen zu schaffen; solange ein "Sozial"-System nicht umgestaltet wird, das Kinderlose gegenüber Kinderreichen massiv bevorzugt; solange die Abtreibungstragödie andauert, ohne dass etwas dagegen unternommen wird -- solange verdient ein "Politiker" diesen Namen nicht, der ja für eine Person steht, die sich für ihre Polis, ihr Gemeinwesen, einsetzt.