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Eine Rüge als Brücke


26.11.08

Eine Rüge als Brücke

Wolfgang Clement und die Brücken der SPD

Ein Zwischenruf von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) SPD-Spitzenpolitiker zeigten sich gestern überrascht, als Wolfgang Clement seinen Parteiaustritt erklärte. Mit der Rüge habe man ihm doch eine Brücke bauen wollen, hieß es. Kann eine Rüge, die einer öffentlichen Ohrfeige gleichkommt, eine Brücke sein, fragt sich.

Klar ist, dass in der SPD der Ausschluss von Clement beschlossen war, weil er sich nach Auffassung der entrüsteten Initiatoren des Parteiordnungsverfahrens durch seine ablehnende Meinungsäußerung als RWE-Aufsichtsrat über die Energiepolitik von Andrea Ypsilanti parteischädigend verhalten hatte. Sie wollten Clement deswegen über Bord werfen, ihn durch einen Wurf ins kalte Nass loswerden. Der Ausschluss von Wolfgang Clement hätte Fakten geschaffen, die sein Aus als Parteimitglied besiegelt hätten. Nach einem Wurf ins Wasser hätte es kein rettendes SPD-Ufer mehr gegeben, auch keine Brücken für einen Weg zurück dorthin.

Dieser Ausschluss kam aber nicht zustande, weil man sich vermutlich vor allem auch darüber im Klaren war, dass er der SPD nicht gut zu Gesicht gestanden hätte. Das war den Parteioberen bewußt. Andrerseits sah sich die SPD offenbar gezwungen etwas zu tun, um innerparteiliche Wogen zu glätten und Parteigremien zu besänftigen. Also griff man zur Ersatzhandlung Rüge. Sie war daher zunächst weniger Brücke für Wolfgang Clement als vielmehr eine Brücke, die die Parteiführung für ihre Funktionärsbasis, aufgebrachte Parteigremien und düpierte Politiker in den eigenen Reihen ausgefahren hatte.

Für Wolfgang Clement kam die Rüge vor allem einer Gelben Karte gleich, die ihn am Rand eines steilen SPD-Ufers an die Kette legen wollte und das Signal setzte, spätestens im Falle einer Wiederholung doch im kalten Nass zu landen. Wolfgang Clement hat das für ihn einzig Mögliche getan, um einem solchen Stoß ins Wasser zu entgehen: Er hat den gefährlichen Uferrand fluchtartig verlassen. Die Rüge war für ihn zugleich die Brücke, das andere Ufer gerade noch rechtzeitig trockenen Fußes zu erreichen. Er ist nicht der Mann, der sich an den Rand stellen und an die Kette legen läßt, um den Wurf ins kalte Nass geduldig abzuwarten.

PS: In einer Online-Umfrage von WELT-ONLINE sagen nur 15 Prozent von fast 7000 Befragten, die SPD sei ohne Clement besser dran.

MEDRUM-Artikel -> Ein überflüssiger Parteiaustritt: Linientreue wichtiger als Grundrecht