Sie sind hier

Bedürfnisse der Opfer vorrangig sehen


13.04.10

Bedürfnisse der Opfer vorrangig sehen

Bischof Ackermann zur Frage der strafrechtlichen Anzeigepflicht bei sexuellem Missbrauch

(MEDRUM) Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für alle "Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich", Bischof Dr. Stephan Ackermann, hat am 13. April darauf hingewiesen, daß ein am Vortag in Rom veröffentlichtes Dokument des Vatikans zum Umgang mit pädophilen Priestern keine automatische Anzeigepflicht bei sexuellem Missbrauch beinhaltet.

Die Anzeige eines Verdachtes auf sexuellen Mißbrauch ist seit Wochen ein Aspekt, der bei der Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung von Mißbrauchsfällen diskutiert wird. So forderte die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der Auseinandersetzung mit der Katholischen Kirche in öffentlichen Erklärungen, die Katholische Kirche müsse schon bei den geringsten Anzeichen auf einen Verdacht des sexuellen Mißbrauchs, Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erstatten. Sie begründete dies unter anderem damit, daß die Kirche nicht darüber entscheiden dürfe, ob ermittelt werden würde oder ob nicht ermittelt werde. Leutheusser-Schnarrenberg ignorierte mit dieser Forderung allerdings das in Deutschland tatsächlich geltende  Recht, nach dem es keine allgemeine rechtliche Verpflichtung zur Strafanzeige gibt.

Die Katholische Kirche in Deutschland hat 2002 Richtlininen erlassen, wie in Fällen des Verdachts auf Mißbrauch zu verfahren ist. Diese Regeln nehmen Rücksicht auf die Bedürfnisse die Opfers. Nicht in jedem Fall wollen Opfer eine strafrechtliche Anzeige, wenn sie ihre Intimsphäre nicht zum Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen machen wollen. Dementsprechend haben sich die Verfahrensrichtlinien der Katholischen Kirche bisher nicht über die Bedürfnisse von Opfern hinweggesetzt. Dies steht sowohl mit dem in Deutschland geltenden Recht wie mit den Verfahrensrichtlinien des Vatikan aus dem Jahr 2001 im Einklang, die am Montag öffentlich gemacht wurden. Der stellvertretende Vatikan-Sprecher Pater Ciro Benedettini erklärte, dieses Regelwerk sei jetzt veröffentlicht worden, um die „vom Papst gewünschte absolute Transparenz" zu zeigen.

Der Mißbrauchsbeauftragte der Katholischen Kirche in Deutschland, Bischof Ackermann, erklärte zu den Verfahrensregeln des Vatikan und einer gesetzlichen Pflicht zur Strafanzeige: „In dem Dokument heißt es lediglich, dass das staatliche Gesetz hinsichtlich der Anzeige von Verbrechen bei den zuständigen Behörden beachtet werden muss. Das ist auch für uns selbstverständlich. Wenn aber aus dieser Formulierung nun in den Medien geschlossen wird, dass eine Anzeigepflicht beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch bestehe, dann ist das falsch. Denn: eine solche Anzeigepflicht gibt es in Deutschland nicht. Und das aus gutem Grund, wie uns Experten sagen.

Denn es muss vor allem darum gehen, bei allem Respekt vor den berechtigten Interessen des Staates, den Schutz und die Bedürfnisse der Opfer vorrangig zu sehen und zu respektieren. Seitens der Bischofskonferenz werden wir bis zum Sommer überlegen, wie wir beide Interessen bei der Neuformulierung der Leitlinien angemessen berücksichtigen können."


MEDRUM -> Vorwürfe der Justizministerin an Kirche unangemessen