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Ausstieg aus Atomkraft lässt Reich Gottes aufleuchten


05.06.11

Ulrike Trautwein: Ausstieg aus Atomkraft lässt Reich Gottes aufleuchten

Dein Reich komme - Motto der Predigt beim Abschlußgottesdienst des Evangelischen Kirchentages in Dresden

(MEDRUM) Der Kirchentag sei der politischste seit vielen Jahren gewesen, heißt es in manchem Kommentar. Auch die Predigt des Gottesdienstes zum Abschluß des Kirchentages enthielt politische Botschaften. Ulrike Trautwein, Pfarrerin aus Frankfurt und neu gewählte Generalsuperintendentin von Berlin, warf ihren Blick auf innen- und außenpolitische Fragen, insbesondere die Teilhabe an gesellschaftlichem Reichtum sowie den Umgang mit internationalen Konflikten und der Atomkraft, und verband sie mit dem Motto ihrer Predigt: Dein Reich komme. Zwar könne das Reich Gottes nicht in dieser Welt gesehen werden, aber überall dort, wo Menschen Irrwege nicht fortsetzten, wie bei der Atomkraft, leuchte etwas auf vom Reich Gottes, nach dem Ausschau gehalten werden müsse, so Trautwein.

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Viele können nicht teilhaben am gesellschaftlichen Reichtum

Das Reich Gottes stand im Mittelpunkt der Predigt von Pfarrerin Trautwein (Bild links), die appellierte, die Augen für das Reich Gottes zu öffnen: "Dieses Reich Gottes kommt nicht irgendwann jenseits dieser Welt, sondern Jesus Christus hat uns die Augen dafür geöffnet, daß es schon da ist, mitten unter uns, immer wieder, hier auf dem Kirchentag und an vielen Stellen auf der Welt. Die Sehnsucht nach dem Reich Gottes verbindet uns durch die Zeiten hindurch und rund um den Globus. Wir suchen nach Orten, wo etwas davon aufblitzt. Darum: Augen auf für das Reich Gottes. Dann sind wir auf dem Weg Jesu, bekommen eine Ahnung mitten in dieser schwierigen Welt von Gottes Zukunft."

Trautwein stellte dem Reich Gottes die geschichtliche und heutige Realität gegenüber und meinte, wer nach dem Reich Gottes Ausschau halte, sehe es nicht in dieser Welt, auch nicht in der gegenwärtigen Bundesrepublik, auch sie könne man kaum als das Reich Gottes sehen. Vieles sei zwar wunderbar aufgebaut worden, zum Beispiel die Dresdner Frauenkirche, aber nicht alle Menschen kämen zurecht. Trautwein: "Viele sind abgehängt und können nicht teilhaben am gesellschaftlichen Reichtum. Andere dagegegen sind atemlos geworden in der Tretmühle, manche zynisch, nur noch an Machbarkeiten interessiert. Die Bitte, Dein Reich komme, klingt hohl in ihren Ohren. Hauptsache, die Rendite stimmt. Was soll man noch erwarten, nachdem so viele menschliche Visionen gescheitert sind? Aber damit will ich mich nicht abfinden, erst Recht nicht, nachdem noch so viele Menschen auf dieser Erde leiden, weil sie in schlimmen Verhältnissen leben müssen. Darum wende ich mich an Jesus, der uns sagt: ‚Das Reich Gottes ist mitten unter Euch.’ Das Leben hier und heute ist nicht alternativlos. Die Art und Weise wie wir wirtschaften und mit internationalen Konflikten umgehen ist nicht alternativlos. Mitten unter uns ist noch viel möglich. Die Welt geht nicht einfach den Bach runter. Gott will, daß alle Menschen geheilt werden, die Einen wie die Anderen."

Atomkraft ein Irrweg

Wohin könne man sich wenden, wenn man nach dem Reich Gottes schaue, fragte Trautwein und gab die Antwort: "Auf Jesus". Das ganze Leben von Jesus sei eine Art Schule für das Hinschauen. Er habe die Menschen mit dem Herzen angeschaut. "So einen Blick brauchen wir", meinte Trautwein, und der alles entscheidende Maßstab, das sei Jesu Menschenliebe. Trautwein folgert: "Darum: Wenn wir nach dem Reich Gottes ausschauen, sehen wir nicht die Zerstörung unserer Welt, die Apokalypse, die in den vergangenen Monaten beschworen wurde, angesichts der Atomkatastrophe von Japan, angesichts vieler Unruhen und Kriege." Denn Jesus Fundament sei, so Trautwein weiter: "Werdet heil und ihr seid gerettet. Darum geht es, daß Menschen gerettet werden. Augen auf für das Reich Gottes. Wir sehen in die richtige Richtung, wenn ein Mensch nicht mehr fliehen muß, weil wir hier aufgehört haben, ihm seine Lebensgrundlagen zu entziehen. Vom Reich Gottes ist etwas zu ahnen, wenn eine Frau vor den Übergriffen kriegslüsterner Männer geschützt wird, wenn ein Kind endlich die Chance bekommt, in die Schule zu gehen. Jeder Mensch, der hineingeholt wird in ein lebenswertes Leben ist ein Zeichen für das Reich Gottes. Deshalb müssen wir uns mit allem auseinandersetzten, was die Menschen untereinander und von Gott trennt. Sünde nennt die Bibel das. Weil, so warnt Jesus, wer die anderen mißachtet und sich nicht von der Liebe bestimmen lässt, stellt sich selbst vom Platz, geht verloren. Doch überall, wo Menschen hinschauen, sich ihren Verletzungen stellen und geheilt werden, da leuchtet etwas auf vom Reich Gottes, genauso wie überall, wo Menschen sich zu ihren Verfehlungen bekennen und Irrwege nicht fortsetzen, so wie es bei der Atomkraft ja lange der Fall war."

Trautwein endet ihre Predigt mit dem Hinweis auf Luther, der gesagt habe, das Reich Gottes komme, auch ohne das Gebet. "Aber wir bitten im Gebet, daß es auch zu uns kommt. Darum: Augen auf für das Reich Gottes und weitergehen. ... Vorausschauen auf Gottes wunderbares Reich, das verbindet uns über diese großartigen Tage hier in Dresden hinaus. Jetzt hoffen wir noch stärker: Gott ist unterwegs zu uns ", so Trautwein.

Augen auf für das Reich Gottes, aber nicht für den Schutz des ungeborenen Lebens

Für Lebensrechtorganisationen ist Gott auf einem entscheidenen Feld des Lebens allerdings nicht unterwegs zur Evangelischen Kirche. Denn bei jährlich mehr als 200.000 vorgeburtlichen Kindestötungen in Deutschland leuchtet kein Reich Gottes auf. Hier wird - statt auf das Reich Gottes zu schauen - vielmehr der Irrweg fortgesetzt, Beratungsscheine auszustellen, die zur straffreien Abtreibung berechtigen. 2009 wurde ein Appell "Kinder eine Gabe Gottes", der an die Synode und den Rat der EKD gerichtet war, um das Leben ungeborener Kinder wirksamer zu schützen und das Schwangerschaftsberatungssystem in der EKD neu auszurichten, von den kirchenleitenden Gremien ignoriert, obwohl er von mehr als 30 Organisationen und 20.000 Personen namentlich unterstützt wurde. Doch Fragen zum Umgang mit dem Schutz des ungeborenen Lebens, insbesondere auch die hochaktuelle Frage einer Zulassung der Präimplantationsdiagnostik, erwähnte Trautwein in ihrer Predigt ebenso wenig wie Fragen zur Bedeutung von Ehe und Familie als Leitbild für Kirche und Gesellschaft oder die hohe Kinderlosigkeit in Deutschland.

Wenn Pfarrerin Trautwein sagt, es gehe darum, daß Menschen gerettet werden und die Augen auf das Reich Gottes gerichtet werden müssen, hätte sie auf die massenhafte Tötung ungeborener Kinder sehen müssen. Dann hätte sie in die richtige Richtung gesehen. Erst wenn damit aufgehört wird, ungeborenen Kindern das Leben zu entziehen, wie dies seit Jahrzehnten der Fall ist, macht sich die EKD konsequent auf den Weg zum Reich Gottes. Das Recht auf Leben hätte auch in ihrer Predigt, einen Spitzenplatz einnehmen müssen, wie es Hartmut Steeb, Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, für das Engagement von Christen forderte.


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Leserbriefe

Die "Atomkatastrophe von Japan" hat nicht ein einziges Menschenleben gefordert und wird als schlimmstes Jahrtausendereignis etikettiert. Damit ist klar: Auch der Kirchentag ist voll im "Grünen Bereich". Die rund 20 000 Opfer des Tsunamis und Erbebens sind dagegen längst vergessen. Dieser Kirchentag hat jedes Maß verloren!

Das ist genau die Art der Predigt, die mich daran hindert, die Gottesdienste der Amtskirche zu besuchen. Was hier neuerlich verkündet wurde, ist eben gerade nicht das Reich Gottes, das, wie es die Schrift lehrt, eben nicht von Menschen, sondern von Gott selbst, verwirklicht wird. Das Wort Gottes verkündet kein innerweltliches Reich Gottes, das in beglückenden Lebenumständen oder Ereignissen sichtbar wird, sondern dass es um die Feindschaft seitens der Welt und ums Überwinden geht und dass erst mit der Wiederkunft Christi alles gut wird, wobei nur diejenigen gut dran sind, die treu und unbeirrt an Jesus und seinem Wort festgehalten haben. Erst wenn das wieder auf "Kirchentagen" in aller Deutlichkeit gesagt würde, würden Veranstaltungen wie die in Dresden, wieder die Bezeichnung "Kirchentag" verdienen.