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Universitäre Pseudowissenschaft


23.06.15

Universitäre Pseudowissenschaft

Genderismus - ein Wildwuchs anti-naturwissenschaftlicher Verirrungen

Von Ulrich Kutschera

(MEDRUM). Vor vier Monaten (Freitag, 13. Februar 2015) fand auf dem „American Association for the Advancement of Science (AAAS)“ Annual Meeting in San Jose, Kalifornien (USA) ein Symposium zum Thema „Creationism in Europe“ statt. Hierbei wurde neben der deutschen Anti-Darwin-Bewegung auch der damit geistesverwandte Genderismus thematisiert.

Begriff „Darwinismus“ durch „Evolutionsbiologie“ ersetzt

Die 1848 gegründete „American Association for the Advancement of Science (AAAS)“ veranstaltet ein jährliches, internationales Wissenschaftlertreffen (Annual Meeting), das jeweils in einer größeren Stadt durchgeführt wird und bis zu 2000 Redner umfasst. Bereits 2007 wurde auf dem AAAS Annual Meeting in San Francisco, CA, das ThImageema „Is Anti-Evolutionism spreading in Europe?“ diskutiert, wobei mir damals die Aufgabe übertragen worden war, über die deutsche Anti-Evo-Bewegung zu referieren.

In einer anschließenden Pressekonferenz wurden die „Invited Speakers“ gebeten, Vorschläge zur Eindämmung der wissenschaftsfeindlichen Kreationisten-Propaganda zu unterbreiten. Meine Anregung, den Begriff „Darwinismus“ durch „Evolutionsbiologie“ zu ersetzen, wurde positiv aufgenommen und in einem 2008-Science-Artikel vertiefend begründet.

Unterwanderung des deutschen Biologieunterrichts

Im „Weismann-Jahr 2014“ (August Weismann zum 100. Todestag, http://hpd.de/artikel/10455) wurde von den Organisatoren des AAAS Annual Meeting 2015 ein Symposium zum Thema „Creationism in Europe“ durchgeführt, bei dem auch das mit dem deutschen Arbeitskreis (AK) Evolutionsbiologie (www.evolutionsbiologen.de) kooperierende US National Center for Science Education (Oakland, CA) beteiligt war. Die von zahlreichen Journalisten besuchte Vortragsveranstaltung führte zu einer lebhaften Diskussion, wobei die Information, dass die evangelikale Studiengemeinschaft Wort und Wissen (Sg. W+W), über ihr Mitglied Prof. Siegfried Scherer, die universitäre Webpage der TU München benutzt, um die pseudowissenschaftliche „Grundtypen-Biologie“ zu bewerben (http://www.micbio.wzw.tum.de/cms/docs/scherer-anzeigen.php#Taxonomy), mit Erstaunen zur Kenntnis genommen (Wort und Wissen vs. AK Evolutionsbiologie, http://hpd.de/artikel/9932). In einem am 7. April von der US-Journalistin Nala Rogers (Science Communication Program, UC Santa Cruz, CA) (http://nalarogers.com/) publizierten Interview mit dem Titel „Ulrich Kutschera, evolutionary biologist“ (http://scicom.ucsc.edu/publications/QandA/2015/kutschera.html) sind u. a. Details zur kreationistischen Unterwanderung des deutschen Biologieunterrichts dargelegt.

Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Biologie

In der nur informell geführten Diskussion zum „Genderismus in Europa“ wurde klar, dass diese fundamentalistische Anti-Darwin-Ideologie dieselben Wurzeln hat wie der wörtlich verstandene biblische Schöpfungsglaube (Kreationismus). Genderisten glauben, dass das „soziale Geschlecht“ des Menschen, d. h. die Maskulinität und Femininität (Mann- bzw. Frau-Sein) unabhängig vom biologischen Geschlecht (XY- bzw. XX-Chromosomensatz, Testosteron- bzw. Östrogen-Pegel usw.) zum Ausdruck kommt, und als „gesellschaftliches Konstrukt“ interpretiert werden kann. Eine faktenbasierte, naturwissenschaftliche Analyse dieses destruktiven, quasi-religiösen Glaubens steht derzeit noch aus, aber eine Schlussfolgerung kann definitiv gezogen werden: „Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn, außer im Lichte der Biologie“ (http://hpd.de/node/4916).

Genderismus, als universitäre Pseudowissenschaft zu widerlegen

Die Diskussion in San Jose, CA, führte zum folgenden Konsens: Evolutionsbiologen sollten den Genderismus, eine universitäre Pseudowissenschaft, die den deutschen Steuerzahler jährlich viele Millionen Euro kostet, mit demselben Ernst analysieren und sachlich widerlegen, wie den damit geistesverwandten Kreationismus (Die Gott-lose Evolution und ihre Antriebskräfte, http://hpd.de/artikel/11755).

In einem hpd-Artikel vom 2. Juni 2015 mit dem Titel „Anders heilen?(http://hpd.de/artikel/11784) habe ich den Genderismus als „Wildwuchs anti-naturwissenschaftlicher Verirrungen“ bezeichnet . Die theoretische Grundlage der Gender-Ideologie steht im diametralen Gegensatz zu den Erkenntnissen der Evolutionsbiologie (Kein Platz für einen Schöpfergott, http://hpd.de/artikel/11757). Eine ausführliche Begründung für diese negative Bewertung sogenannter „Gender-Studies“ ist in Vorbereitung.

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Der Artikel "Universitäre Pseudowissenschaft" wurde zuerst im Humanistischen Pressedienst veröffentlicht (13.04.15), seine Veröffentlichung aber zurückgenommen und für einen späteren Zeitpunkt angekündigt. Bei dem in MEDRUM abgedruckten Artikel handelt es sich um eine leicht erweiterte und geringfügig überarbeitete Fassung.

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Weitere Information

zum Artikel: Ulrich Kutschera, der hpd und die "Zensur"

zum Buch Evolutionsbiologie:

→ www.utb-shop.de/evolutionsbiologie

Bestellmöglichkeit:

→ bestellungen@utb.de

über den Autor:

Wikipedia: → Ulrich Kutschera

Uni Kassel: → Prof. Dr. Ulrich Kutschera

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05.11.14 August Weismann zum 100. Todestag HPD
01.09.14 Wort und Wissen vs. AK Evolutionsbiologie HPD
02.07.08 Erwiderung gegen Angriffe von Kreationisten HPD
27.05.15 Die Gott-lose Evolution und ihre Antriebskräfte HPD
02.06.15 Anders heilen? HPD
28.05.15 Kein Platz für einen Schöpfergott HPD
27.05.15 Die Gott-lose Evolution und ihre Antriebskräfte HPD

Leserbriefe

Prof. Kutschera macht im verlinkten Interview mit Nala Rogers (http://scicom.ucsc.edu/publications/QandA/2015/kutschera.html) einige unwahre Aussagen:

Kutschera über Wort und Wissen: "It was founded in 1979 by theologians and other academics, but not by professional biologists."

Nur ein Gründungsmitglied der Studiengemeinschaft Wort und Wissen (W+W) war ein Theologe, dagegen waren Naturwissenschaftler, auch ein Biologe dabei. Siegfried Scherer war kein Gründungsmitglied von W+W.

Kutschera: "Scherer has a powerful government-sponsored position at an important college, the Technical University of Munich. He was awarded several prizes for academic teaching, and he distributed his version of Intelligent Design and young-Earth creationism under the label of his university. In my view, this is unacceptable."

Siegfried Scherer hat seine Auffassungen zu "Intelligent Design" und "Junge-Erde-Kreationismus" nie unter auf seiner Instituts-Homepage veröffentlicht.

Herrn Kutschera ist das bekannt; warum er trotzdem etwas anderes behauptet, wirft schwerwiegende Fragen auf. Außerdem ist Siegfried Scherer schon länger kein "Junge-Erde-Kreationist" mehr, wie man unschwer seiner privaten Homepage entnehmen kann.

Kutschera: "Just a few weeks ago, Reinhard Junker [one of the authors of Evolution: A Critical Textbook] explained to me that for him, the Bible, as the Word of God, is true and must be read like a biology textbook."

Es ist falsch, dass ich, Reinhard Junker, Professor Kutschera (oder irgendeiner anderen Person) erklärt hätte, dass die Bibel wie ein Biologie-Lehrbuch gelesen werden müsse.

Auf einer gemeinsamen Veranstaltung im Januar in Freiburg hat er das Gegenteil von mir gehört; ebenso habe ich mich in vielen Publikationen einschließlich meiner Dissertation klar geäußert, dass die biblischen Texte zur Schöpfung keine lehrbuchhaften Texte sind, allerdings sehr wohl relevant für das Verständnis der Geschichte des Menschen und des Welt insgesamt.

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Ergänzungen der Redaktion

Angaben von Wort und Wissen über Reinhard Junker:

"Ursprünglich Gymnasiallehrer für Biologie und Mathematik, arbeitet als „dienstältester“ wissenschaftlicher Mitarbeiter seit 1985 bei Wort und Wissen. In dieser Zeit konnte er sich auch im Bereich „Interdisziplinäre Theologie“ weiterbilden und eine Promotion über eine kritische Beurteilung theistischer Evolutionsvorstellungen an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Leuven/Belgien abschließen (1992). Seine Interessen gelten vor allem dem Design-Argument in der Biologie, der Leistungsfähigkeit der Variationsmechanismen, den „Evolutionsbeweisen“ im Bereich der Vergleichenden Biologie und der Paläontologie sowie theologischen Fragen über „Bibel und Naturwissenschaft“. Er hält Vorträge in Schulen, Hochschulen und bei kirchlichen Veranstaltungen."

Angaben zum Buch "Evolution. Ein kritisches Lehrbuch."

Junker ist Mitautor des Buches "Evolution. Ein kritisches Lehrbuch.", 7. vollständig überarbeitete Ausgabe (ab November 2013), erhältlich über Amazon.

Zum Buch sagen die Autoren, zu denen auch Prof. Dr. Siegfried Scherer gehört:

"Ist Evolution bewiesen? Die experimentelle evolutionsbiologische Forschung hat gezeigt, dass die Fähigkeit zur mikroevolutiven Veränderung eine faszinierende Grundeigenschaft des Lebens ist. Darf Makroevolution – die Entstehung komplexer Strukturen und Grundbaupläne – damit ebenfalls als empirisch belegte Tatsache gelten? Die Autoren dieses Lehrbuches sind nicht dieser Meinung. Daher werden sowohl Reichweite als auch Grenzen mikroevolutiver Vorgänge allgemeinverständlich und sachlich behandelt."

Das Buch wird von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen herausgegeben.

Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen ist ein wissenschaftlicher gemeinnütziger Verein. Dr. Reinhard Junker ist Geschäftsführer des Vereins.


 

Korrekte Aussagen von U. Kutschera zu Wort und Wissen (W+W)

In seinem Leserbrief vom 25.06.2015 (Gegendarstellung zum Beitrag „Universitäre Pseudowissenschaft“ in MEDRUM) kommt Herr Dr. Reinhard Junker, Studiengemeinschaft Wort und Wissen (W+W), zu den folgenden, nicht korrekten Schlussfolgerungen:

1. Meine Aussage, Prof. Siegfried Scherer wäre Gründungsmitglied von W+W gewesen, wurde in der aktualisierten Version des Interviews mit Nala Rogers (englische Fassung) korrigiert – nur diese Fassung steht online und ist in einer deutschen Übersetzung über die Richard Dawkins Foundation (RDF) verfügbar (Red.: → Kreationistische Ideologie contra Evolution).

2. Der beamtete Hochschullehrer, Prof. Siegfried Scherer, hat in Video-Filmen, z. B. „Hat die Bibel doch Recht? Der Evolutionstheorie fehlen die Beweise“ (Drei Linden-Film), im Namen der TU München gesprochen. Der Arbeitgeber wird bzw. wurde auch in Werbebroschüren zum Kreationisten-Video genannt. Außerdem sind noch heute (25.06.2015) auf der Homepage der TU München „ZIEL Abteilung Mikrobiologie – Scherer – Taxonomy and evolution“ die folgenden kreationistischen Publikationen aufgelistet:

  • Nr. 1: Scherer, S., Hilsberg, T. (1982): Entenvögel als erschaffene Grundtypen
  • Nr. 8: Scherer, S., Sontag, C. (1986): Entenvögel als erschaffene Grundtypen
  • Nr. 15: Loewe, L., Scherer, S. (1997): Junge Mitochondrien-Eva, Kritik an Datierungsmethoden
  • Nr. 27: Scherer, S. (2007): Artikel im W+W-Journal Studium Integrale
  • Nr. 33: Scherer, S. (2010): Artikel im W+W-Journal Studium Integrale
  • Nr. 30 und 35: Scherer, S. (2009, 2010): Buchbeiträge zum christlichen Glauben, wobei die kreationistische Position des Autors thematisiert wird.

In den drei zuerst genannten Beiträgen (1, 8, 15) werden kreationistische Thesen unter dem Deckmantel der Biologie verbreitet. Mit den Nummern 27 und 33 wird über Artikel in der W+W-Hauszeitschrift den Studierenden suggeriert, dieses Blatt wäre ein seriöses wissenschaftliches Journal (Werbung für W+W unter dem Logo der TU München). Die Nummern 30 und 35 sind PDF-Versionen deutschsprachiger Buchbeiträge, in welchen S. Scherer seine religiös geprägten Ansichten, vermischt mit biologischen Inhalten, darlegt. Diese privaten evangelikal-fundamentalistischen Ansichten sollten nicht als wissenschaftliche Publikationen gelten und in dieser Rubrik verbreitet werden.

3. Herr Dr. Reinhard Junker hat sinngemäß auf einer gemeinsamen öffentlichen Diskussionsveranstaltung im Januar 2015 (PH Freiburg) dargelegt, dass Bibeltexte, als Wort Gottes, den Ursprung der Arten offenbaren würden. Selbstverständlich werden die Genesis usw., je nach theologischem Geschmack, umgedeutet. Fest steht jedoch, dass die von Herrn Junker geführte Studiengemeinschaft W+W eine „biblische Schöpfungslehre“ vertritt, wobei ein wörtliches Bibelverständnis (Grundtypen, alle erschaffen nach ihrer Art) zugrunde gelegt wird. In zwei aktuellen Fachbüchern habe ich diese Theo-Biologie der Studiengemeinschaft W+W als „Junge-Erde-Intelligent Design-Kreationismus“ charakterisiert.

U. Kutschera, Kassel, 25.06.2015