06.11.13
Die verhängnisvolle evangelische "Freiheit"
Ein evangelische Pfarrerin, die sechs Jahre in der Gefängnisseelsorge in Berliner Gefängnissen tätig war, erfährt Diskriminierung auf evangelische Art statt kirchlicher Freiheit
(MEDRUM) Immer wieder wird die evangelische Freiheit aus unterschiedlichen Anlässen betont. Doch die Freiheit des Christenmenschen kann ihm - trotz Martin Luther, den seinerzeit die päpstliche Bannbulle traf, - in der Evangelischen Kirche in Deutschland geradezu zum Verhängnis werden, wie der Fall einer evangelischen Pfarrerin zeigt.
Die Noch-Pfarrerin Astrid Eichler war offenbar nicht ganz auf Linie in der EKBO. Es ist ihr nicht gut bekommen, wie ihr Offener Brief zeigt, mit dem sie über ihre einschlägigen Erfahrungen mit der evangelischen Freiheit berichtet. Wer von der Linie der EKBO abweicht, werde ausgegrenzt, der könne ja kündigen. Im Konfliktfall, bei ihr ging es um "theologische Differenzen", bedeutet evangelische Freiheit also die Freiheit zur Kündigung. Das ist das bittere Fazit, das Astrid Eichler ziehen kann.
Eichler hatte sich gründlich geirrt. Sie glaubte, theologische Differenzen seien Anlass zum Dialog. Doch ein Gespräch, um das sie wiederholt gebeten hatte, wurde ihr, so versichert sie glaubhaft, verweigert. Sie hatte anfangs gedacht, in einer pluralistischen Kirche könnten theologische Differenzen "im Gespräch bewegt werden" und "hätten auch verschiedene theologische Überzeugungen Platz". Mittlerweile sieht die Geschundene das anders. Es gibt dort keinen Platz für unterschiedliche theologische Überzeugungen. So verwundert es nicht, dass sich die Pfarrerin an das System DDR erinnert fühlte, als sie in einem Brief aus dem Konsistorium lesen musste "sie können kündigen".
Auch in der DDR gab es keinen Platz für unterschiedliche Überzeugungen. Dort habe es geheißen: „Sie können die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR beantragen.“ Auch in der EKBO verbreite sich eine Stimmung der Hoffnungslosigkeit: „Es hat keinen Zweck… Die sitzen alles aus... Ich warte auch schon seit Jahren auf ein Gespräch… Da bewegt sich nichts.“ In ihrem Brief schreibt Eichler: "Da gibt es sogar Hausverbote und da ist die Rede von einem „Index“ auf dem bestimmte Personen stehen".
Und dennoch sieht sich Pfarrerin Eichler selbst nicht als Geschundene, sondern als Angehörige einer Landeskirche, die sich die Freiheit zu einer bewussten Entscheidung genommen hat. Eichler wollte nicht länger ausgegrenzt werden oder gar auf dem Index stehen. Sie zog die Konsequenzen und tat das, was ihr unverhohlen empfohlen wurde: Sie kündigte. Ab 1. Januar 2014 wird sie nicht mehr in den Diensten der EKBO stehen. Die Reaktion der EKBO war ebenso nüchtern wie gnadenlos konsequent. Eichler erhielt nach dem Antrag auf Entlassung ein förmliches Schreiben und die Entlassungsurkunde. Es wurde ihr mitgeteilt: „Nach der Entlassung besteht kein Anspruch auf Besoldung, Versorgung und sonstige Leistungen… Mit der Entlassung aus dem Dienst verlieren Sie gemäß § 100 i.V.m. § 5 Abs.1 Nr.6 PfDG.EKD Auftrag und Recht zur öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung… Die Ordinationsurkunde ist zurückzugeben…“.
Am Ende ihres Briefes fragt Eichler: "Wie ernst ist das Bekenntnis zum Pluralismus in unserer Kirche wirklich? Offensichtlich ist das ein sehr begrenzter, theoretischer Pluralismus. Ich und viele andere erleben eine Engführung, die Sorge macht." So fühlt sie sich einer neuen Gruppe von Dissidenten zugehörig, den Dissidenten in den Landeskirchen. Vielleicht stehen auch diese eines Tages auf und rufen: "Wir sind das Volk!"
MEDRUM dokumentiert den Offenen Brief der Pfarrerin im vollständigen Wortlaut: www.medrum.de/content/offener-brief-von-pfarrerin-astrid-eichler
Eichler will ihrer Berufung auch künftig treu bleiben. Sie sieht ihren Platz in dem Dienst von "Es muss was Anderes geben" (EmwAg); Information über EmwAg im Internet: www.emwag.de.
Kontakt zur Pfarrerin unter Email: offener-brief@freenet.de