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Vergütung für Interessensvertretung von Kindern durch Bundestag auf Pauschalen begrenzt


Vergütung für Interessensvertretung von Kindern durch Bundestag auf Pauschalen begrenzt


Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Verfahrenspflegschaft kritisiert Bundestag

In einer Presseerklärung der BAG Verfahrenspflegschaft für Kinder und Jugendliche e. V. vom 27. Juni 08 wird der Beschluß des Bundestages kritisiert, die Vergütung für die Interessensvertretung von Kindern auf Pauschalen zu begrenzen. Die BAG nahm dazu unter der Überschrift "Kinderrechte nach Kassenlage" Stellung.

Dr. Manuel Stötzel (1. Vorsitzende) und Reinhard Prenzlow (Stellvertretender Vorsitzender) erklärten:

"... Mit der heutigen Entscheidung, die Vergütung für den zukünftigen Verfahrensbeistand pauschal auf 350 € bzw. 550 € zu begrenzen, hat der Bundestag eine von den betroffenen Kindern überwiegend als wichtige Unterstützung ihrer Interessen empfundene Tätigkeit dem Diktat einer Kostenbremse untergeordnet!


Obwohl von allen Fachleuten die Tätigkeit der Verfahrenspfleger nach anfänglicher Zurückhaltung bei der Einführung inzwischen als wichtige, notwendige und hilfreiche Arbeit angesehen wird, ist diese wesentliche Änderung des Gesetzes ohne Anhörung von Experten und unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen Bund und den Ländern verabredet worden. Diese Vorgehensweise ist nach unserer Ansicht unter demokratischen Gesichtspunkten äußerst bedenklich!


Die Folgen für die praktische Arbeit der zukünftigen Verfahrensbeistände sind überhaupt nicht absehbar. Einige Punkte sind aber jetzt schon eindeutig:

  1. Die Qualität der Arbeit wird zwangsläufig absinken, da die für eine verantwortungsvolle Tätigkeit zur Verfügung stehende Zeit nicht mehr vorhanden ist!
  2. Die hoch qualifizierten und ausgebildeten Verfahrenspfleger werden mit dieser Pauschale vor die Frage gestellt, ob sie sich selbst ausbeuten und für einen Stundenlohn von unter 10 € auf dem bisherigen hohen Niveau tätig sein wollen, oder ob sie diese Tätigkeit schlicht aus finanziellen Gründen nicht mehr ausüben können.


Als Folge kann es dazu kommen, dass nicht ausgebildete und fachlich nicht qualifizierte Personen eine Einahmequelle entdecken und sich dann bei den Gerichten melden. Die weitere Folge daraus könnte sein, dass Richter nicht mehr bestellen, weil sie keine geeigneten Verfahrenspfleger mehr finden, deren Eignung sie ja zukünftig vorab prüfen müssen.


Wir haben auch starke Bedenken, ob diese Pauschalierung verfassungsgemäß ist. Das BVerfG hat 2004 dazu ausgeführt (Auszug): „Maßstab für den Umfang der Tätigkeit eines Verfahrenspflegers und damit auch den seines Vergütungsanspruches ist die Erkundung und Wahrnehmung des kindlichen Interesses. Daraus folgt, dass eine Vergütungspraxis mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist, die dem Verfahrenspfleger nicht ermöglicht, die Interessen der von ihm vertretenen Kinder zu deren Grundrechtsverwirklichung im Verfahren wahrzunehmen." Mit der Pauschalierung erhöht sich aber nun genau die Gefahr dieses Grundrechtsverstoßes! Während der Aufgabenbereich des zukünftigen Verfahrensbeistandes gesetzlich nun klarer geregelt und seine Aufgaben eindeutig benannt werden, er damit zu deren Einhaltung verpflichtet ist, werden gleichzeitig seine Möglichkeiten, dieses im Kindesinteresse umzusetzen, faktisch verhindert, da über die Pauschalierung der Zeitrahmen für die Erkundung des kindlichen Interesses unverantwortlich beschränkt wird. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies: Entweder der Verfahrensbeistand handelt contra legem und damit gegen die Kinder oder er gibt auf. Wir fordern daher, dass diese fachlich fragwürdige und mit unabsehbaren Folgen behaftete Gesetzesänderung zurückgenommen wird! Wir werden weiter für eine sachgerechte und angemessen vergütete Vertretung der Kindesinteressen im familiengerichtlichen Verfahren kämpfen!"


Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) für Kinder und Jugendliche e.V. wurde im Februar 2000 mit Sitz in Frankfurt a.M. gegründet. Die Mitglieder haben „die eigenständigen und wohlverstandenen Interessen von Kindern und Jugendlichen" in Gerichtsverfahren zu vertreten, in denen VerfahrenspflegerInnen für Kinder und Jugendliche bestellt werden. Dies soll nach § 50 Freiwillige Gerichtsbarkeit Gesetz (FGG), insbesondere in folgenden Fällen geschehen:

  • bei erheblichen Interessengegensätzen zwischen Eltern und Kindern,
  • bei gerichtlichen Maßnahmen wegen Kindeswohlgefährdung (§§ 1666, 1666 a BGB),
  • bei gerichtlichen Entscheidungen über die Trennung des Kindes von der Pflegefamilie.

Bei der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen nach § 1631 b BGB werden bereits seit 1991 VerfahrenspflegerInnen bestellt, gesetzliche Grundlage der Bestellung bildet hier § 70 b FGG.

Weitere Information: Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Verfahrenspflegschaft für Kinder und
Jugendliche e. V.