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Grundeinsicht zum Beginn menschlichen Lebens fehlt


19.11.08

Grundeinsicht zum Beginn menschlichen Lebens fehlt

Hartmut Steeb kritisiert die Diskussion der Politiker über das Thema Spätabtreibung

Plädoyer von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Könne man sich nicht mehr auf die Grundeinsicht verlassen, dass menschliches Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginne, fragt Hartmut Steeb, Generalsekretär der Evangelischen Allianz und Vorsitzender der „Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen e. V.", sicher mehr rhetorisch auf der Internetseite der Evangelischen Allianz unter der Überschrift "Keine Einigung im Fall der Spätabtreibung".  Nein, auf diese Grundeinsicht kann man sich nicht mehr verlassen. Nicht erst seit heute, lautet die Antwort.

Diese Grundeinsicht ist abhanden gekommen, als die große Abtreibungsdebatte zu Beginn der 70er Jahre in Deutschland geführt wurde. Um Abtreibung zu ermöglichen, ohne sie weiter mit Strafe bedrohen zu müssen, hat man diese Grundeinsicht zur Seite gelegt und verdrängt. An ihr festzuhalten hätte logischer Weise bedeutet, die Abtreibung als Tötung eines ungeborenen Kindes auch weiterhin als eine kriminelle Tat bestrafen zu müssen. Doch der zeitgeistige Wille stand dem entgegen. Also behalf man sich damit, sich nicht mehr eindeutig zu dieser Grundeinsicht zu bekennen und in Frage zu stellen, wann der Mensch als Mensch zu leben beginnt. Rechtliche Konstruktionen wie der Begriff des Subjektes, als Träger von Rechten, tun das ihrige, um über die Verlegenheiten und Bedrängnisse hinwegzuhelfen, die entstehen, wenn die Grundeinsicht aufgegeben wird. Dies wird an der Aussage des Nationalen Ethikrates deutlich, dass "im Nationalen Ethikrat, nicht anders als in Gesellschaft und Politik, die Meinungen darüber auseinander gehen, ob der Embryo im frühesten Stadium Träger der Men­schenwürde ist und welche Konsequenzen für seinen Anspruch auf Lebensschutz daraus zu ziehen sind."

ImageMit einer solch kontroversen Haltung wurde die vordem eindeutig zu beantwortende Frage, was ist und wann beginnt menschliches Leben in ein konfuses Licht gerückt. Wenn nicht mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, wann beginnt das menschliche Leben dann? Im 4-Zellstadium, 8-Zellstadium, nach der Einnistung in die Gebärmutter, 1, 2, 3 Tage oder Wochen oder Monate danach? Weiter gefragt: Beginnt das Leben eines Menschen bereits, bevor es außerhalb des Mutterleibs lebensfähig ist (wie auf dem berühmten Bild eines 21 Wochen alten Kindes links zu sehen, das während der Operation im Mutterleib seine Hand nach dem Finger des Chirurgen ausstreckt) oder erst danach, und ist es schon Mensch, wenn es ohne Brutkasten lebensfähig ist oder auch schon dann, wenn es nur mit Hilfe des Brutkastens überleben kann? Oder beginnt es gar erst am Tage der natürlichen Geburt, gleich ob es eine Früh- oder Normalgeburt ist?

Wer kann auf all diese Fragen, die sich eben stellen, wenn die Grundeinsicht aufgegeben wird, eine logisch und ethisch eindeutige und überzeugende Antwort geben? Sie lässt sich schwerlich finden. Jeder Versuch, das eine oder andere zu bejahen, wird zum mißratenen Kompromiß, weil er den Charakter interessensgeleiteter, gezwungener Festlegungen nicht verbergen kann. Wer das Leben des Menschen an Fristen oder Stadien nach seiner Entstehung mißt, stellt es grundsätzlich zur Disposition, ist der naheliegende Schluß - das gilt für seinen ImageAnfang und für sein Ende. Nur eine Antwort ist logisch überzeugend und ethisch konsequent: Genau mit dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht die Qualität Mensch, eine Qualität Leben, die alles besitzt, was im Schöpfungsakt dem Menschen in die Wiege gelegt wird, was ihm seine Seele gibt und seine Identität als Person bestimmt: Seine geschlechtliche Identität, seine persönlichen Merkmale, die ihn von anderen Menschen lebenslang unterscheiden werden und alles Wissen, das er braucht, um sich auf die Lebensbahn begeben und auf ihr entfalten zu können; einer Bahn, die ihn zunächst in die Gebärmutter führt, um seinen Körper im Schutze des Mutterleibs zu dem zu entwickeln, was ihn vom Tage der Geburt an auch außerhalb des Mutterleibs lebensfähig macht. Aber auch dann braucht er noch den Schutz, die Hilfe und die Sorge liebender Mitmenschen, zuerst von Mutter und Vater, um überleben und in seiner Selbstständigkeit und seinen Fähigkeiten wachsen zu können.  Wer will da sagen, dass das noch nicht Mensch ist, was noch Hilfe braucht, um weiter wachsen zu können. Braucht der Mensch nicht lebenslang Hilfe, wächst er nicht lebenslang, doch ist er nicht, von Anfang an? Ja er ist. Und er hat sein Recht und seine Würde, von Anfang an, eine Würde, die gottgegeben und für den Menschen unantastbar ist.

Das menschliche Leben beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, und es hat von Anfang an seine menschliche Würde und sein eigenes Recht auf Leben. Das ist und bleibt die Grundeinsicht, auf die Verlaß ist. Kein Verlass ist jedoch auf den Menschen, der diese Grundeinsicht negiert, weil sie oft unbequem und lästig ist, weil sie auch Konsequenzen mit sich bringt, die oft schmerzlich sind und manches Mal dem Menschen eine schwere Bürde und ein leidvolles Kreuz auferlegen, das viele nicht annehmen wollen oder nicht glauben tragen zu können. Und dennoch ist es eine konsequente und notwendige Grundeinsicht, die nicht relativiert und verdrängt werden darf in der Verantwortung vor Gott und dem Menschen.

Wir leben schon viel zu lange mit der Leugnung dieser Verantwortung. 120.000 weinende Kinderseelen, die jährlich zum Verstummen gebracht werden, bevor ihre Augen das Licht dieser Welt erblicken dürfen, sind eine schreckliche Mahnung an alle, die ihre Ohren, Augen und Herzen nicht vor dieser Wahrheit verschließen. Hartmut Steeb verschließt sein Ohr, seine Augen und sein Herz nicht vor dieser Wahrheit und mahnt, dass auch andere dies nicht tun. Und das ist auch wirklich gut so.

-> Kurt J. Heinz: Was Leben ist


-> Hartmut Steeb: Keine Einigung im Fall der Spätabtreibung