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Kritik an der Berichterstattung des Schwarzwälder Boten über Familie Gorber aus der Schweiz


19.09.08

Kritik aus der Schweiz zum Bericht des Schwarzwälder Boten über Familie Gorber

Leserbrief an den Schwarzwälder Boten: "Ein haarsträubender Artikel, mangelnde journalistische Fairness und Propaganda"

(MEDRUM) Vor einigen Wochen erschien im Schwarzwälder Boten ein Artikel über das Geschehen um Familie Gorber unter dem Titel "Gotteskinder brauchen keine Handies", dessen Aussagen von MEDRUM kritisch betrachtet wurden (Artikel vom 28.07.08). Ein Leserbrief an den Schwarzwälder Boten eines Lesers aus der Schweiz, der jetzt MEDRUM übersandt wurde, setzte sich mit der Berichterstattung dieser Zeitung kritisch auseinander.

Der Wortlaut des Briefes an den Schwarzwälder Boten:

Sehr geehrte Redaktion:

Ich wollte Ihnen ein ehrliches Feedback geben über die mangelnde journalistische Fairness und Objektivität in dem Artikel: "Gotteskinder brauchen weder Handy noch Radio". Der Artikel ist weniger eine ausgewogene Beschreibung der Situation als ein Stück Propaganda. Statt journalistisch kompetent und neutral zu informieren, benutzt der Artikel Reizwörter um die vorliegende Gerichtsverhandlung in ein bestimmtes Licht zu stellen - was vermutlich dem Vorurteil des Journalisten zuzuschreiben ist. Zum Beispiel:

"Christliche Fundamentalisten" - da man das Wort "Fundamentalisten" mit Terroranschlägen in Verbindung bringt, wäre ein anderes Wort für konservative Christen treffender. Warum nicht den Begriff nehmen, die sie benutzen, um ihre Überzeugungen zu beschreiben? Oder will man bewusst unfair sein?

So ähnlich: "lebt nach urchristlichen Prinzipien" (was heisst *das* konkret?). So auch der Titel: "Gotteskinder brauchen weder Handy noch Radio" - ist das die treffendste Beschreibung dessen, was hier vor sich geht? Ist die Verweigerung eines Handys ausreichender Grund des Sorgerechtentzugs? Der Gipfel kommt aber am Schluss: "darf eine aufgeklärte Gesellschaft tatenlos zusehen, wenn Minderjährige in einem religiösen Zwangssystem aufwachsen?" Journalistische Objektivität glänzt in Abwesenheit! Oder ist es bewiesen, dass es sich um ein Zwangssystem handelt? Gerade in einem Gerichtsfall soll in einem "aufgeklärten" Gesellschaft gelten: "im Zweifelsfall für den Angeklagten". Ist es nicht sonderbar, dass - wenn es zu Hause wirklich so schlimm ist - die Kinder so sehr nach Hause wollen, dass sie aus den Heimen mehrmals zu flüchten versuchten?

Nebst einem fehlenden journalistischen Objektivität fehlt offenbar auch eine angemessene Forschung, um die Tatsachen der Situation zu enthüllen. Der Autor beteuert, dass die Kinder "ständig beten" müssten. Laut aber genauere Information (www.medrum.de/?q=content/sind-die-eltern-gorber-erziehungsfaehig) lässt sich diese Beschreibung nur schwerlich mit der Wahrheit vereinbaren: "Das Gebet in dieser Familie besteht aus einer morgendlichen kurzen Andacht und aus dem Tischgebet. Ist dies falsch, nur weil es heute in vielen Familien nicht mehr zum Leben gehört?"

Auch beteuerte der Artikel, dass "moderne Kommunikationsmittel wie Zeitung, Radio, Fernsehen und Computer würden verboten". Laut aber genauere Information aus der Quelle oben, sieht es bei Fam. G. anders aus: "Dass diese Familie über eine Tageszeitung, über ein Radio und sogar einen Computer verfügt, wird nicht nur nicht erwähnt, sondern schlicht unterschlagen." Es ist bedenklich, wenn bei einem so wichtigen Fall ein Journalist sich der Mühe nicht nimmt, um sich richtig zu informieren. Noch bedenklicher wenn man überlegt, dass genau solche übertriebene, einseitige, vorurteilende und der Wahrheit nicht entsprechende Formulierungen das ist, was Propaganda ausmacht.

Ja, in diesem Punkt ist der Artikel am schärfsten zu verurteilen. Er berichtet über einen Fall, bei dem Kinder gegen ihren Willen gezwungen werden, weg von zu Hause in Heimen leben zu müssen - und das über mehrere Monate. Das ist ein schwerwiegender Entscheid, aber der Autor ist offensichtlich dafür. Wie begründet er jedoch seine Meinung? Welches schwerwiegende Unrecht haben die Eltern getan, warum dürfen die Kinder nicht bei ihnen sein - selbst wenn sie es wollen? Der Artikel berichtet:
a) Die Eltern sind bibeltreue Christen, die ihren Glauben "streng" (was immer das heisst) leben. Da müsste es in unseren Köpfen Alarm schlagen - es soll in unserer "aufgeklärten" Gesellschaft Religionsfreiheit geben - hoffentlich auch für die "strengen"!
b) "Nachbarn erzählen, dass vor allem die Mutter immer seltsamer geworden sei und die Familie ‚sehr abgeschottet' lebe" - Hallo? Sollen denn die Meinungen und allfällige Vorurteile der Nachbarn ausschlaggebend sein? Genügt ein paar solche Gerüchte, um Kinder zu zwingen, in ein Heim zu leben?
c) Die Familie "wollte ihren Nachwuchs nicht den modernen Strömungen aussetzen", darum durften sie keine Handys und kein (eigenes?) Radio haben. Neben der Tatsache, dass es höchst fragwürdig ist, ob Medien wie Handys, Fernseher, Computer, Playstations und ähnliches für ein Kind förderlich sei (davor warnen Experten schon lange!), ist ein vermeintliches "Recht" auf solches wichtiger als die Rechte der Familie?

In diesem Punkt ist der Artikel wirklich haarsträubend. Ich kenne den Fall G. nicht aus erster Hand. Vielleicht gibt es mindestens vernünftige Gründe für ein Sorgerechtentzug. Wenn aber die Objektivität des Jugendamts nicht besser ist als die Objektivität dieses Journalisten und dieser Zeitung, dürfte es sich um ein schweres Unrecht handeln. Denn die aufgelistete Gerüchte und die deutlichen Vorurteile sind keine Gründe für ein Sorgerechtentzug. Schon gar nicht rechtfertigen sie den Ton der Schlussfolgerung: "darf eine aufgeklärte Gesellschaft tatenlos zusehen, wenn Minderjährige in einem religiösen Zwangssystem aufwachsen?"

Vor dem Hintergrund des Verlaufs und der Erlebnisse erscheint Familie Gorber und den sie unterstützenden Personenkreisen der Schlußsatz des Artikels des Schwarzwälder Boten, an dem in diesem Leserbrief Anstoß genommen wurde, wie ein Faustschlag in das Gesicht jedes Kindes dieser Familie Gorber. Die Schlußfrage des Schwarzwälder Boten hätte aus Sicht  der Kinder der Familie Gorber eher lauten müssen: "Darf eine aufgeklärte Gesellschaft tatenlos zusehen, wenn Minderjährige gewungen werden sollen, gewaltsam von ihren Eltern getrennt zu leben, um in einem staatlichen Zwangs- und Heimsystem aufzuwachsen, in dem ihre Seele Schaden nimmt?


MEDRUM-Artikel vom 28.07.08  -> Sind die Eltern Gorber erziehungsfähig?


Leserbriefe

Die französische Revolution ist also im Schwarzwald angekommen, genauer gesagt beim Schwarzwälder Boten. Dort wird allen Ernstes gefragt: "Darf eine aufgeklärte Gesellschaft tatenlos zusehen, wenn Minderjährige in einem religiösen Zwangssystem aufwachsen?" Nein, Aufklärer haben schon immer brandschatzend, mordend, zerstückelnd und vergewaltigend ihre Aufklärung betrieben und Andersgläubige, Andersdenkende auszurotten versucht - man schaue sich nur den (Nach)gang der Französischen Revolution an. In einer freiheitlichen Demokratie, die das Wort Pluralismus nicht nur für den Schulzwang okkupiert, sondern wirklichen Pluralismus zuläßt, hat auch religiöser Fundamentalismus seinen Platz - ohne zu wissen, ob dies bei Gorbers der Fall ist oder nicht. Glaube, der etwas fundamentales hat, ist gut. Dazu glaube ich. Weil Menschen erfahren haben, daß ihr Glaube tragfähig ist, machen sie diesen zum Fundament ihres Handelns - und Hoffens. Jeder friedliche und zivilisierte Mensch hat dabei selbstverständlich t a t e n l o s zuzusehen, denn anderenfalls verletzt er die Integrität und die Rechte von Personen. Wer anderer Meinung ist, möge sich bitte argumentativ mit ihm Ungefälligen und Ungefälligem auseinandersetzen, nicht aber die Staatsgewalt für die tätliche Durchsetzung seiner eigenen Meinung mißbrauchen. Ganz richtig erkennt der Beitrag oben, daß es hier fundamentalistische Staatsgläubige sind, die tatsächlich Zwang und Gewalt gebrauchen. Und das - eine Beleidung für alle anderen - auch noch im Namen der Legalität. In der bundesdeutschen Wirklichkeit ist Recht zur gewaltsamen Durchsetzung der herrschenden Meinung verkommen.

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