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"30 Jahre nach zwölf": Der demographische Niedergang Europas


03.04.10

"30 Jahre nach zwölf": Der demographische Niedergang Europas

Seminartag mit dem Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg am 17. April in Kassel

(MEDRUM) Ein Kernproblem für die deutsche Volkswirtschaft und das System sozialer Sicherheit stellt die seit langem absinkende Geburtenrate dar. Die Konsequenzen sind weitreichend, stehen aber nicht im Vordergrund der Politik. Auf dem Seminartag des Gemeindenetzwerks und Gemeindehilfsbundes am 17. April in Kassel soll die demographische Implosion jedoch zum  Leitthema gemacht werden. Zur Thematik wird der renommierte Bevölkerungswissenschaftler und ehemalige Direktor des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik Herwig Birg vortragen.

„30 Jahre nach Zwölf“

In der Einführung zum Seminartag schreibt Joachim Cochlovius, Vorsitzender des Gemeindehilfsbundes: "Viel zu lange hat die Politik die demographische Entwicklung in Deutschland und in der westlichen Welt nicht wahrhaben wollen. Nach Herwig Birg befinden wir uns mittlerweile auf dem Stand „30 Jahre nach Zwölf“. Die zunehmende Kinderlosigkeit in unserer Gesellschaft hat staatsgefährdende Dimensionen angenommen. Der Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel hat das Problem bereits 2002 als gesellschaftliches Kernproblem erkannt und festgestellt, „daß Kinder in Wohlstands- und erwerbsarbeitsorientierten, kollektiv rundum abgesicherten und hochgradig individualistischen Gesellschaften oft weniger attraktiv sind als andere Lebensoptionen“ („Die deformierte Gesellschaft. Wie die Deutschen ihre Wirklichkeit verdrängen“). Wenn die demographische Entwicklung Ausdruck eines gesellschaftlichen Kernproblems ist, dann sind Christen gefordert, nach den Ursachen dieses Problems zu forschen und Antworten zu geben. Dann dürfen sich auch kirchliche Gremien nicht länger in Schweigen hüllen. Dann geht es um unser aller Zukunft. Der Seminartag, der gleichzeitig das Jahrestreffen des Gemeindenetzwerks ist, wird sowohl eine kompetente demographische Analyse der zunehmenden Kinderlosigkeit bieten als auch Konsequenzen für die Verantwortung der Christen aufzeigen."

ImageMEDRUM berichtete wiederholt über die dramatisch fallende Zahl der Geburten, die seit Mitte der 60er Jahre beständig absinken. Die Grafik links zeigt den Verlauf in den Jahren 1998 bis 2008. Dabei bildet Deutschland das Schlußlicht innerhalb Europas. Mit jährlich nur 8,3 Geburten pro 1000 Einwohner ist die Kinderlosigkeit bei Deutschen besonders groß. Einen großen Einfluß auf die niedrige Geburtenzahl hat die Schicht hoch gebildeter Frauen. Je höher der Bildungsstand, desto größer ist die Kinderlosigkeit. Im Jahr 2009 wird die Zahl der Geburten deutlich unterhalb von 700.000 Lebendgeborenen liegen. Gleichzeitig liegt die in der amtlichen Statistik erfasste Zahl von abgetriebenen Kindern bei weiter über 100.000. Auch im Jahr 2009 zeigt der Entwicklungstrend weiter nach unten. In den ersten 10 Monaten wurden 4,9 Prozent weniger Kinder geboren als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Zahl der Lebendgeborenen ging in den ersten 10 Monaten nach den vorläufigen amtlichen Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 574.600 auf 548.000 Geburten zurück.

Zum Problem der zu niedrigen und weiter fallenden Geburtenraten sowie den Konsequenzen wird Professor Herwig Birg auf dem Seminartag zwei Vorträge halten:

  1. Die Ursachen der demographischen Entwicklung - international gesehen
  2. Was auf Deutschland zukommt. Die zwingende Logik der Demographie

Der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg

ImageHerwig Birg (Bild links) ist wie kaum ein anderer prädestiniert, zu diesen Themen vorzutragen. Er stammt aus Heufeld (Banat). Von 1962 bis 1967 studierte er Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin. Dort wurde er 1970 zum Dr. rer. pol. promoviert. Er habilitierte 1979 am Fachbereich für Gesellschafts- und Planungswissenschaften an der Technischen Universität Berlin. Ab Ende der 1960er Jahre bis zum Anfang der 1980er Jahre war Herwig Birg sowohl forschend am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin als auch lehrend an Berliner Universitäten und Hochschulen tätig. Von 1981 bis 2004 hatte er den Lehrstuhl für Bevölkerungswissenschaft an der Universität Bielefeld inne und war Geschäftsführender Direktor des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik (IBS) an der Universität Bielefeld. Seit 2004 ist er - neben seiner breitgefächerten Vortragstätigkeit - für verschiedene Auftraggeber forschend und beratend tätig. Herwig Birg ist seit 1969 mit Ursula Birg, geb. Gorr, verheiratet.

Weitere Information zum Seminartag und zur Anmeldung: ->  Der demographische Niedergang Europas


 

Leserbriefe

Wo ein Wille - da ein Weg. Deutschland verlor im Dreißigjährigen Krieg zwei Drittel seiner Bevölkerung. Damals war die Lage also noch viel schlimmer, zumindest der Zahl nach. Heute aber scheint der Wille zu fehlen. Die Deutschen sind so schrecklich tüchtig, daß sie in einigen Generationen ausgestorben sein werden. Wenn sie als Volk nicht mehr leben wollen, müssen wir sie wohl gehen lassen. Die Türken und andere Völker warten schon, den Platz einzunehmen....

http://wolfmayr.org/familie/

Es ist erstaunlich, wie gelassen wir uns diesem demographischen Absterbeprozess ergeben, beinahe wie ein sterbendes Individuum, alt und schwach und zunehmend krank, das seine Endzeit für gekommen sieht. Obwohl Bevölkerungswissenschaftler wie Prof. H. Birg schon seit langem dieses Problem thematisieren, bleiben sie weitgehend ungehört oder werden bewusst ignoriert. Die Auswirkungen sind dem Durchschnittsbürger entweder unbekannt oder sie weden verdrängt nach dem Motto: Ich lebe doch jetzt und will jetzt Spaß haben, die Zukunft interessiert mich nicht. Ich hoffe, dass diese Tagung einen kleinen Beitrag dazu leistet, diese Ignoranz zu durchbrechen.