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Eine kleine Adventsgeschichte über Tage in einer Justizvollzugsanstalt


21.12.09

Eine kleine Adventsgeschichte über Tage in einer Justizvollzugsanstalt

Christlicher Familienvater wegen Widerstand gegen Theaterprojekt zur schulischen Sexualerziehung inhaftiert

(MEDRUM) Am Donnerstag, den 10. Dezember 2009, wurde ein Familienvater in Nordrhein-Westfallen aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hamm entlassen. Er verbrachte dort sieben Tage Erzwingungshaft, weil er ein Bußgeld nicht bezahlt hatte. Es war verhängt worden, weil er seine 9-jährige Tochter nicht an Veranstaltungen des Sexualerziehungsunterrichtes teilnehmen ließ.

Wegen der staatlich verordneten Sexualerziehung in der Schule kommt es immer wieder zu Streitfällen zwischen Schule und Elternhaus, die mitunter auch vor dem Staatsanwalt oder Gericht landen. Die Eltern sitzen meist am kürzeren Hebel, wenn die Schulleitung kein Einsehen hat und nicht bereit ist, Kinder von einer Teilnahme an Veranstaltungen zur Sexualerziehung in solchen Einzelfällen freizustellen. Wegen Verstoßes gegen die Schulpflicht droht dann die Verhängung von Bußgeldern und wer diese nicht zahlt, muß mit einer Erzwingungshaft rechnen.

So erging es jetzt auch dem Familienvater aus dem Raum Paderborn. Aus Gründen seines christlichen Glaubens wollte der Vater von acht Kindern seiner Tochter nicht eine Sexualmoral vermitteln lassen, für die unter Berufung auf den Lehrplan für die Sexualerziehung in einer katholischen Grundschule eine Veranstaltung angeordnet worden war, die er aufgrund seiner christlichen Verantwortung für die Erziehung seiner Kinder als schädlich ansieht. So lehnte er eine Teilnahme seiner Tochter am Theaterprojekt "Mein Körper gehört mir" lehnte er ab. Die Folge: Es wurden Bußgelder verhängt. Als er nicht zahlte, verbrachte er mehrere Adventstage in Erzwingungshaft. Die Geschichte seiner Einlieferung und seine Schilderung des Haftaufenthaltes wird hier als kleine Adventsgeschichte erzählt.

Am Donnerstag, den 3. Dezember, wurde der Familienvater nachmittags um 15.30 Uhr von zwei Polizisten von seinem Zuhause abgeholt. Er war gerade von der Arbeit gekommen. Gegessen hatte er noch nicht. Sie nahmen ihn mit und brachten ihn zuerst in die JVA Paderborn, wo er die darauf folgende Nacht verbrachte und auch ein Abendbrot erhielt. Am nächsten Vormittag verlegte man ihn dann nach Hamm.

Wie der Familienvater schilderte, stand ein Bus vor dem Eingangstor, als sie in Hamm ankamen. Fast eine Stunde lang mußten sie zunächst hinter diesem Bus warten. Als sich dann endlich das Tor für sie öffnete und die Polizisten in die JVA hineinfahren wollten, versagte ihr Auto seinen Dienst. Der Motor lief zwar, aber der Wagen bewegte sich nicht von der Stelle. Die Polizisten reagierten ziemlich aufgeregt. Jemand rief ihnen zu, sie sollten alle Hebel und Knöpfe ausprobieren, die es da gebe. Statt des Autos bewegte sich plötzlich die Motorhaube. Sie sprang auf und schnellte in die Höhe. Ärgerlich stieg der Fahrer aus und verschloß sie wieder. Etwa fünf Minuten lang probierten sie alles Mögliche, bis sich das Auto schließlich in Bewegung setzte. „Das ist das erste und letzte Mal, wo ich einen solchen ins Gefängnis bringe!", sagte der Fahrer genervt. Er antwortete ihnen: „Es warten noch über 10 andere darauf, die aus demselben Grund wie ich ins Gefängnis kommen. Da müssen Sie wohl doch diese Fahrt noch manches Mal wiederholen." „O nein!", entgegnete der Polizist, „dann mache ich Urlaub!"

Es war schon Mittag geworden, als er in der Anstalt aufgenommen werden konnte. Die Büros hatten bereits geschlossen. Eine reguläre Aufnahme fand offenbar nicht mehr statt. Man machte nur kurz eine Notiz über ihn, nahm ihm seine Bekleidung und seine Tasche weg mit allem, was er mitgebracht hatte, - auch seine Bibel konnte er nicht behalten. Nachdem er einen schwarzen Sportanzug als Gefängnisbekleidung und Hausschuhe empfangen hatte, wurde er in eine Zelle gebracht. Dort saßen schon zwei Deutsche und ein Türke ein.

Von seinen Erlebnissen aus den folgenden Tagen erzählt er:

"Das Mittagessen wurde gerade hingestellt; doch für mich fehlte das Besteck. Der Türke rief deshalb nach dem Personal und reklamierte dies. Doch weil nicht gleich jemand kam, sagte er: 'Ich brauche nur die Gabel; nimm hier meinen Löffel für dein Essen.' Er meinte, das Essen schmecke hier nicht so gut, auch seien die Portionen nicht groß genug, um satt zu werden. Doch als ich mein Menü öffnete, erschien es mir reichlich, und ich sagte: 'Ach, das ist so viel, das kann ich nicht alles aufessen. Vielleicht will jemand von euch noch von meinem Fisch?' Dankbar nahm der Türke einen Teil davon. Er bediente mich dann von allen Seiten, gab mir seine Tasse, damit ich Tee trinken konnte. Ich fragte dann, welches Bett noch frei sei, und legte mich hinein. Auf einmal begannen die anderen zu rauchen, und ich fing an zu husten. Der Türke fragte: 'Ach, rauchst du nicht? Wieso bringen die dich dann zu uns?! Die müßten dich doch in ein Nichtraucherzimmer bringen! Du mußt dich darüber beklagen! Ich drücke gleich den Knopf dafür.' Ich antwortete: 'Nein, ich will niemanden verklagen.'

Nach einer halben Stunde kam ein Vollzugsbeamter und brachte mich zum Arzt; ich konnte diesem manches von Jesus erzählen, und er hörte sehr interessiert zu, bis ihm dann einfiel, daß er sich noch um die anderen Gefangenen kümmern musste. Danach führte er mich in eine Einzelzelle.

Am nächsten Tag, es war Samstag, bekam ich die ersten zwei Briefe: einen von zu Hause und einen von unserer Rechtsanwältin, in dem sie eine Strophe zitierte von einer dunklen Zelle und einer dunklen Welt. Ich dachte noch: 'So dunkel ist meine Zelle eigentlich nicht.' Im gleichen Augenblick kam ein Vollzugsbeamter, um meine Schuhgröße zu messen. Er versuchte, das große Licht einzuschalten; doch es funktionierte nicht. 'Oh', dachte ich, meine Rechtsanwältin hatte recht mit der dunklen Zelle. Ich konnte nur unter der Lampe am Waschbecken lesen. Die Deckenleuchte wurde erst am Dienstag repariert.

Am Samstagnachmittag kamen Gläubige aus einer Freien Evangelischen Gemeinde und veranstalteten für alle Gefangenen eine Adventsfeier in einem großen Saal. Um ein besseres Erscheinungsbild zu bieten, bekam ich von einem Vollzugsbeamten blaue Kleidung und richtige Schuhe. Der Gefängnischef sagte uns, wir dürften uns gemischt mit dem Personal und diesen Gläubigen hinsetzen. Es sollte alles bißchen feierlich sein. Der Chef hatte erst vor zwei Monaten seinen Posten hier bekommen; der alte Chef war gestorben. Nun hielt er eine Rede über Advent, die Wartezeit, und erwähnte, daß alle hier irgendwie auf etwas warten: 'Die Gefangenen warten auf die Gerichtsverhandlung und deren Ausgang, außerdem auf das Ende der Gefangenschaft. Die Adventszeit weist darauf hin, daß wir auf das Christkind warten; morgen kommt auch der Nikolaus, der dann an eure Tür klopfen wird...'

Mit einer Büroangestellten, die ich vom vergangenen Jahr her kannte, konnte ich von Jesus sprechen und ihr sagen, daß Er vor der Tür steht, anklopft und darauf wartet, daß man Ihm auftue. Ein Gefangener, der mich noch vom vergangenen Jahr her kannte, setzte sich zu mir, und wir konnten ein Gespräch führen. Auch fragte ich eine Vollzugsbeamtin, warum man mir meine Bibel nicht gebe. Sie antwortete, ich könne vielleicht eine bekommen, die dem Gefängnis gehöre. Aber ich bekam leider keine. Dafür war ich um so froher über die mir zugesandten Traktate, Briefe und Karten, in denen ich so manches aus Gottes Wort lesen konnte.

Am Sonntagnachmittag hörte ich, wie ein Vollzugsbeamter im Flur sagte: 'Einer der Gefangenen ist ein Baptist; deshalb haben sich jetzt draußen vorm Gefängnis eine Menge Leute versammelt, die singen, musizieren und predigen.' Ich selbst konnte von dem Gottesdienst nichts hören, weil meine Zelle auf der anderen Seite war. Aber am Dienstag erfuhr ich durch Briefe, daß man auf jener Seite alle Fenster geöffnet hatte; das Personal hatte sich alles angehört. Der Kinderchor und das Blasorchester hatten auch mitgewirkt.

Am Montag kam eine Büroangestellte in meine Zelle. Sie holte Dinge nach, die bei meiner Aufnahme versäumt wurden. Sie fragte: 'Wie lange arbeiten Sie schon? Haben Sie eine Lohnsteuerkarte?' 'Ja', antwortete ich, 'ich bin noch nie arbeitslos gewesen.' Darüber war sie sehr erfreut. Als sie mit ihren Fragen fertig war, sagte ich: 'Ich möchte Ihnen gern ein Traktat schenken.' Sie antwortete: 'Ich nehme eins von denen, die doppelt sind.' 'Woher wissen Sie, daß eines doppelt gekommen ist?' 'Ich hab vorher alles durchgelesen; darum fiel mir das auf.' Als ich dann entlassen wurde, kam sie noch mal zu mir, um sich zu verabschieden; sie wünschte mir sehr freundlich alles Gute und frohe Weihnachten.

Als bei der Verteilung des Essens einmal mehrere Türen gleichzeitig geöffnet waren, konnte ich mit dem Gefangenen in der Nachbarzelle ein paar Worte wechseln. Ich fragte nach seinem Namen und warum er saß. 'Ich bin ein Dieb', antwortete er, 'das Wort ist nicht angenehm.' Ich hatte den Eindruck, daß er sich ein wenig schämte. 'Wenn er sich noch schämen kann, dann hat er noch ein lebendiges Gewissen', dachte ich. Am Abend sang ich dann das Lied 'Bist du auf Erden gar oft allein...' Dabei bemerkte ich, daß er mit seiner Gitarre die Begleitung dazu spielte. Ich sang das Lied auch in den nächsten Tagen, und jedesmal spielte er dazu.

Ein Vollzugsbeamter hatte mir am Montag bei der Anmeldung gesagt, ich würde am Donnerstagmorgen um acht Uhr abgemeldet und entlassen. Da ich dies meiner Frau mitteilen wollte, bat ich darum, mit ihr telefonieren zu dürfen. Mir wurde geantwortet, dafür müsse ich einen Antrag stellen. 'Ich hab aber keinen Kugelschreiber, denn mir wurde bei der Ankunft meine Tasche mit dem ganzen Inhalt weggenommen.' Da lieh mir der Beamte den seinen. Doch dann geschah nichts; statt dessen wurde mir gesagt, wenn ich telefonieren wollte, müßte man für mich ein Konto eröffnen, und das lohne sich nicht, für die paar Tage, die ich hier sei. Ich sagte: 'Wenn man mir nicht meine Tasche mitsamt dem ganzen Inhalt, auch dem Geldbeutel, weggenommen hätte, könnte ich es doch ganz einfach bezahlen und bräuchte kein Konto.' Statt dessen mußte ich einige Tage lang um die Gewährung des Telefonats bitten. Endlich kam eine Vollzugsbeamtin und ermöglichte es mir. Zum Dank schenkte ich ihr ein Büchlein über die Arche und die große Flut. Sie bedankte sich sehr dafür.

Am Montag, Dienstag und Mittwoch bekam ich Briefe, insgesamt über 40; eine Vollzugsbeamtin brachte sie mir jeweils. Als sie einmal 14 Briefe brachte, sagte sie: 'So viele Briefe wie Sie hat hier noch niemand bekommen! Jetzt können Sie zwei Tage lang lesen.' Zwei Pakete mit Traktaten und Kalendern wurden mir geschickt; die bekam ich leider erst am Entlassungstag. Nur die Traktate, die den Briefen beigelegt waren, erhielt ich sofort.

Am letzten Tag stand ich morgens früh auf, brachte mein Zimmer in Ordnung und stellte eine Weihnachtskarte auf das Regal. Ich schenkte sie dann einem Vollzugsbeamten, als er mich abholte und ich ihm den Kugelschreiber zurückgab. Ich hatte noch eine Packung Milch und Joghurt übrig und bat eine Vollzugsbeamtin, dies meinem Nachbarn geben zu dürfen, was sie dann ermöglichte; ich legte noch Traktate und einen Kalender dazu, auf dem steht: 'Mit Gott ins Neue Jahr.' Als ich dann am frühen Morgen hinaustrat ins Freie, waren meine Frau, einige Angehörige und andere Gläubige schon da, obwohl es draußen noch dunkel war. Ich denke, der Gefängnisaufenthalt war nicht vergebens."

In seiner Firma wartete sein Chef auf ihn. Er erzählt weiter:

"In meiner Firma hatte ich schon wochenlang zuvor den Chef und die Arbeitskollegen auf die Zeit meiner Abwesenheit vorbereitet. Ich hatte einen Urlaubsschein ausgefüllt, ohne das Datum dazuzuschreiben, und meinen Kollegen gegeben; sie sollten das Datum dann eintragen, wenn es soweit wäre. Der Meister fragte mich später, als ich wieder zur Arbeit kam: 'Na, wie war es?' 'Oh, ich hab über 40 Briefe bekommen - so schöne Briefe!', antwortete ich. Er hörte so interessiert zu und bemerkte dann nur noch ironisch: 'Ja, das ist das humane Deutschland! Nun gut, daß du wieder da bist.'

Dies war jetzt mein zweiter Gefängnisaufenthalt gewesen; beim ersten Mal wollte er meinen Urlaubsschein zuerst nicht annehmen. Aber dann hatten noch andere aus unserer Gemeinde mit ihm gesprochen, die auch dort arbeiten - es ist eine große Firma mit 200 Arbeitern, und so hatte er sein Einverständnis gegeben. Ich arbeite dort schon seit 20 Jahren. Bis jetzt hat noch niemand von den Gläubigen, die ins Gefängnis kamen, dadurch seinen Arbeitsplatz verloren.

Einige Arbeitskollegen fragten während meiner Abwesenheit meinen Schwager: 'Wo ist der Willi jetzt?' 'Er hat Urlaub genommen', antwortete er. 'Nein, er wurde verhaftet', sagte jemand. 'Na ja, jeder macht Urlaub auf eigene Art - etliche in Spanien, andere in Italien, und er in Hamm', entgegnete mein Schwager."

Das Schicksal einer Erzwingungshaft wird auch die Mutter der Familie ereilen, wie aus der weiteren Schilderung des Familienvaters hervorgeht:

"Meine Frau wartet jetzt auch auf ihre Verhaftung. Letzten Montag ist für sie die Frist abgelaufen. Sie war noch nicht das erste Mal dort und hat schon die Vorladung für die zweite Verhaftung bekommen. Für jedes Kind, das wir vor schulischen, emanzipatorischen Sexualerziehung schützten, muß auch sie acht Tage ins Gefängnis; zuerst ging es um den Sohn, dann um die Tochter. Und wir haben ja noch mehr Kinder. So geht es all unseren Geschwistern; das auferlegte Bußgeld steigt bei jedem Bußgeldverfahren immer höher. Das Bußgeld wird jedem Erziehungsberechtigten gesondert auferlegt. Etliche Eltern sind schon beinahe bei 5000 € angelangt, weil sie viele Kinder haben, die sie vor der Sexualerziehung bewahren wollen. Unsere Gemeinde hat Unterschriften gesammelt, um uns Eltern vor der Haft zu verschonen, und hat diese Petition an die Staatsanwaltschaft geschickt; sie bekamen aber die Antwort: 'Es gibt keine Gnade.' Ich sagte: 'Nun gut, wenn ihr nicht Gnade geben wollt, dann sollt ihr mit mir machen, was ihr wollt.' "

Die Rechtsanwältin Gabriele Eckermann merkte gegenüber MEDRUM an: "Noch vertraue ich auf unseren Rechtsstaat, in dem mit den Menschen nicht willkürlich umgegangen werden kann, auch wenn es ein Skandal ist, daß diesem Familienvater sogar die Bibel abgenommen und gegen seine Rechte verstoßen wurde. Deswegen halte ich es auch für wichtig, daß Christen ihre Werte und Rechte klar vertreten. Dazu gehört für mich - nebenbei angemerkt - auch, wie es Professor Thomas Schirrmacher getan hat, zum Beispiel Solidarität mit den Christen zu zeigen, die die Manhattan-Erklärung in den USA unterzeichnet haben. Das ist ermutigend. Ich habe mich deswegen auch der Solidaritätserklärung in MEDRUM angeschlossen."


Leserbriefe

Da es in jedem Gefängnis einen Gefängnisseelsorger gibt, und in vielen Haftanstalten evangelikale Gruppen wie das "Schwarze Kreuz" oder die "Gefährdetenhilfe Scheideweg" Gefangene betreuen, sollte es zumindest kein Problem sein, für die Dauer des Gefängnisaufenthalts eine Bibel zu erhalten. Vorausgesetzt natürlich, man hat ein ehrliches Interesse daran, und fragt vor Ort auch einmal nach. Aber es ist natürlich schöner, die eigene Haftstrafe hinterher in ein frommes Martyrium zu verwandeln. Sorry, aber für diesen Mann fehlt mir wirklich jedes Verständnis.

Und mir fehlt das Verständnis für das Verhalten von diesem diktatorischen Staat. Das Recht auf Erziehung scheint in Deutschland ein Pseudogesetz zu sein. Und Sozialdarwinismus dominiert...