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Lesben- und Schwulenverband fordert im Bundestag völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe


20.06.08

Lesben- und Schwulenverband fordert im Bundestag völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe

Anhörung von Experten und Sachverständigen im Rechtsausschuss

(MEDRUM) Der Deutsche Bundestag berichtet, eine Mehrheit der vom Rechtsausschuss eingeladenen Sachverständigen habe die Initiativen der parlamentarischen Opposition befürwortet, eingetragene Lebenspartnerschaften mit der Ehe völlig gleichzustellen. Dies sei bei einer öffentlichen Anhörung am Mittwochnachmittag deutlich geworden.

So machte Manfred Bruns, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland, deutlich, der Gesetzgeber sei aufgrund des im Grundgesetz festgelegten Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, die Benachteilungen von Lebenspartnern zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht habe im Jahre 2002 festgestellt, dass der Schutz von Ehe und Familie des Grundgesetzes die Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten zulasse. Lebenspartner dürften insofern gegenüber Ehegatten nicht benachteiligt werden, meinte der Sprecher der Lesben und Schwulen. Bruns zufolge ist es nicht begründbar, warum der Gleichbehandlungsgrundsatz im Grundgesetz im Verhalten zwischen Lebenspartnern und Ehegatten nicht gelten soll.

Auch Professor Karlheinz Muscheler von der Universität Bochum legte sich eindeutig fest. Er begründete seine Befürwortung einer völligen Gleichstellung damit, dass ihm die Zeit reif zu sein scheine, um eine vollständige Angleichung der Lebenspartnerschaft an die Ehe durchzuführen." Nur damit sei völlige Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen, so der Experte Muscheler. Er sprach sich dafür aus, dabei gleichzeitig das Lebenspartnerschaftsgesetz gründlich zu überarbeiten, weil nur so die Gleichstellung mit der Ehe sinnvoll zu gewährleisten sei.

Vier Sachverständige für gemeinsames Adoptionsrecht

Professor Ingeborg Schwenzer von der Universität Basel, Präsidentin des Zentrums für Familienwissenschaften, darauf hin, auf internationaler Ebene lägen inzwischen viele psychologische Untersuchungen zur Situation und Entwicklung von Kindern in gleichgeschlechtlichen Familien vor. Sie alle bestätigten, dass auf intellektueller, psychischer, sozialer, emotionaler und sexueller Ebene keinerlei Unterschiede zur Entwicklung von Kindern aus heterosexuellen Familien zu verzeichnen seien. Auch Sicht des Kindeswohls gebe es deshalb keinen Grund, das Verbot der gemeinsamen Adoption durch gleichgeschlechtliche Partner aufrecht zu erhalten.

Auch Professor Nina Dethloff, Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn, bestätigte, dass im Adoptionsrecht "dringender Reformbedarf" bestehe. Die Zulassung der gemeinsamen Adoption trage zur Verbesserung des Schutzes von Kindern bei, die in gleichgeschlechtlichen Familien leben, meinte sie. Gleichzeitig baue sie Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaft ab. Auch Dirk Siegfried, Rechtanwalt und Notar aus Berlin, und der Wiener Rechtsanwalt Helmut Graupner schlossen sich dieser Argumentation an.

Zwei Sachverständige vertraten gegenteilige Meinungen

Professor Matthias Jestaedt von der Universität Erlangen-Nürnberg meinte, es sprächen gute verfassungsrechtliche Gründe dafür, Eingetragene Lebenspartnerschaften und die Ehe nicht demselben Recht zu unterstellen. Wer anders handle, begegne verfassungsrechtlichen Bedenken. Der im Grundgesetz enthaltene Schutz der Ehe stelle es dem Gesetzgeber nicht frei, sonstigen Formen dauerhaften menschlichen Zusammenlebens rechtlich der Ehe und der Familie gleichzustellen. Vielmehr habe der Gesetzgeber Ehe und Familie "in exklusiver Weise" zu schützen.

Der Berliner Rechtsanwalt Marc Schüffner plädierte ebenfalls gegen die völlige Gleichstellung Eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Die dem Bundestag vorgelegten Initiativen unterstellten alle, es sei eine Diskriminierung, Ehepaare zu fördern, ohne gleichzeitige Lebenspartner in diese Förderung einzubeziehen. Diese Sichtweise sei jedoch verfassungsrechtlich nicht gedeckt.

 


 

Manfred Bruns:
Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD)

Prof. Dr. Karlheinz Muscheler:
Lehrstuhl für Deutsche Rechtsgeschichte, Bürgerliches Recht und Handelsrecht
Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum

Prof. Dr. iur. Ingeborg Schwenzer:
Ordinaria für Privatrecht
Juristische Fakultät Universität Basel

Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M.:
Universitätsprofessorin für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung und Europäisches Privatrecht
Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht Universität Bonn.
Seit 2006 Ad-hoc-Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Dirk Siegfried:
Rechtanwalt und Notar
Rechtsberatung binationaler Partnerschaften und Asyl
Tätig im Team des Bildungs- und Sozialwerkes des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg e.V.

Helmut Graupner:
Wiener Rechtsanwalt
Rechtsanwalt in Wien und europäischer Aktivist für die Rechte homo-, bisexueller und transgender Frauen und Männer