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Evangelikale im unkritischen Kreuzfeuer von Parlament


02.04.09

Evangelikale im unkritischen Kreuzfeuer von Parlament

Rainer Scholz und das Buch "Mission Gottesreich" von Oda Lambrecht und Christian Baar

(MEDRUM) Rainer Scholz schreibt in der Wochenzeitung DAS PARLAMENT über das Buch "Mission Gottesreich" von Oda Lambrecht und Christian Baar eine Rezension unter der Überschrift "Eine Reise in die befremdliche Welt des Heils", die Anlaß zur Kontroverse bietet.

Erneut geht es um das Bild, das von evangelikalen Christen gezeichnet wird. Die Autoren Lambrecht und Baar stellen insbesondere den angeblichen Fundamentalismus der Evangelikalen als typisch heraus (Untertitel des Buches: "Fundamentalistische Christen in Deutschland"). Was für die Autoren fundamentalistisch ist, entlarvt sie jedoch als unscharfe Denker. Fundamentalistisch ist für sie schon die Tatsache, dass evangelikale Christen ihren Glauben für den einzig richtigen halten. Welchen sollen sie denn sonst für den richtigen Glauben halten, wenn sie überzeugte Christen sind? Ist ein gläubiger Christ gläubig, wenn er auch den Buddhismus oder Hinduismus als richtigen Glauben für möglich halten würde? Wohl kaum. Er wäre nicht gläubig, sondern geradezu schizophren. Um also nicht Gefahr zu laufen, als Fundamentalist abgestempelt zu werden, bliebe ihm, der Logik von Lambrecht und Baar folgend nur die Wahl, schizophren zu denken. Dies ist die Ebene intellektueller Qualität, auf der sich die beiden jungen ARD-Journalisten bewegen.

In der Rezension von Rainer Scholz wird dies nicht entlarvt. Statt zu analysieren, gibt Scholz lediglich unkritisch referierend wieder, was den Autoren als staunenden Beobachtern in der Welt der evangelikalen Christen aufgefallen ist. Davon stellt er ein dichotomisches Weltbild und die Ablehnung der Evolution besonders heraus. Weder das eine noch das andere verdient es jedoch, in irgendeiner Weise besonders beachtet zu werden. Dass die Kategorien "Gut" und "Böse" für Christen leitende Maxime sind, gilt nicht nur für Evangelikale, im Übrigen auch für manche Andersgläubige. Auch dass der Glaube an die reine Evolutionslehre mit dem christlichen Glauben unvereinbar ist, gilt für jeden Christen und nicht nur Evangelikale. Denn es nun einmal eine vom christlichen Glauben untrennbare Tatsache, dass diese Welt für jeden Christen nur durch den Schöpfer, nicht aber durch bloße Evolution erklärbar ist. Scholz bewegt sich daher mit dem, was er Rezension nennt, auf einem intellektuell wenig anspruchsvollen Niveau. Scholz lässt die Chance zur Analyse und einer treffenden Bewertung ungenutzt.

Die beiden Autoren präsentieren eine Sammlung von Beobachtungen und Eindrücken, ohne wirklich selbst zu analysieren und in Zusammenhängen zu denken. Sie handeln wie zwei Besucher eines sinfonischen Konzertes, die ihren Höreindruck wiedergeben, ohne etwas von der Bedeutung einer Komposition, Partitur und einem Orchester zu verstehen. Wie wollen sie bar jeden tieferen Verständnisses den Wert eines musikalisches Werkes der Musikwelt und den Menschen vermitteln? Sie können nicht analysieren, sie können nicht einordnen, und sie können nicht treffend werten. Sie sind darauf beschränkt, lediglich ihren befremdlichen Eindruck wiederzugeben, ohne eine Verständnis für äußere und innere Zusammenhänge zu haben, geschweige denn diese vermitteln zu können. So befremdet auch nicht das "ungemütliche", fast schon naiv anmutende Fazit, das sie Scholz zufolge ziehen: "Es schickt sich eine gut vernetzte Glaubensgemeinschaft, eine, die 'Minderheiten diskriminiere und gegen Andersgläubige hetze', an, mit zunehmendem Erfolg Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen".

Mit diesem Fazit diffamieren die Autoren völlig zu Unrecht die große Gruppe evangelikaler Christen in Deutschland, die alles andere tun als Minderheiten zu diskriminieren oder gegen Andersgläubige zu "hetzen". Lambrecht und Baar treten damit in einen Kreis von Meinungsmachern, deren journalistische Qualität allenfalls Ansprüche einer Klientel erfüllen kann, die sich in Hinterzimmer-Salons zusammenschart. So gesehen werden sie sicherlich dankbare Abnehmer bei Journalisten finden, die für SPIEGEL, TAZ und gleichgesinnte Medien schreiben, wie manche Erzeugnisse aus der jüngeren Vergangenheit gezeigt haben. Höheren Ansprüchen können sie jedoch keinesfalls gerecht werden. Sie füttern nicht nur ein Zerrbild von der Wirklichkeit, sondern schreiben mit ihrem Buch auch am Kern der Sache vorbei. Sie versäumen es, zentrale Fragen zu stellen und den Antworten darauf nachzugehen.

Niemand sollte verwundert sein, wenn sich Christen eine Heimat suchen, die sie vor allem in Politik und Medien nicht mehr finden, weil das Bekenntnis zum christlichen Glauben dort fehlt und christlicher Geist schon lange nicht mehr erkennbar ist, auch weil die christlichen Kirchen diesem Treiben zu wenig entgegen gesetzt haben. Niemand sollte verwundert sein, wenn Christen zu den Wurzeln des christlichen Glaubens zurückkehren wollen, die die Parteien und große Teile der Gesellschaft schon lange vergessen und verdrängt haben.

Es ist die natürliche Reaktion von Menschen, die erleben, dass mit dem christlichen Glauben das Navigationssystem über Bord eines Schiffes „Deutsche Gesellschaft" geworfen wurde, das orientierungslos in Gewässern treibt, in denen es wie die Titanic vom Untergang bedroht ist.

Es ist keineswegs befremdlich, wenn Christen nicht auf der Titanic bleiben, sondern sich für ihre Fahrt ein Schiff suchen, das einen sicheren Kurs steuert. Dass zunehmend mehr Menschen an Bord dieses Schiffes gehen wollen, ist ebenso wenig befremdlich. Und schließlich ist auch nicht befremdlich, dass Christen an Bord dieses Schiffes anderen die Hand reichen, ebenfalls an Bord zu kommen.

Befremdlich ist allenfalls, dass die beiden jungen ARD-Journalisten nicht ausreichend analysieren und in Zusammenhängen denken. Statt einer gelungenen Synthese präsentieren sie wohl deshalb ein „ungemütliches" Fazit, das kaum überzeugen kann, weil es am Kern der Sache vorbeigeht: Ein dichotomisches Buch.

Und schließlich ist besonders befremdlich, dass Rainer Scholz mit einem Artikel, der sich als Rezension versteht, die Fehlgriffe und Defizite dieses Buches nicht identifiziert und dem Leser präsentiert. Die Rezension von Rainer Scholz ordnet sich daher auf der gleichen geistigen Ebene ein, auf der dieses Buches steht. Schlimm ist am Ende, dass Rainer Scholz eine solche Rezension im einer Zeitschrift "Parlament" publizieren kann, die doch eigentlich andere Qualitätsansprüche stellen muß. Oder ist dies eine irrtümliche Annahme?


Artikel von Reinhard Scholz in PARLAMENT -> Eine Reise in die befremdliche Welt des Heils

MEDRUM-Artikel -> Dialog und Offenheit statt Abgrenzung und Ausgrenzung