25.03.10
Regierung bietet vier Ministerinnen gegen sexuellen Kindesmißbrauch auf
Ehemalige SPD-Ministerin wird Regierungsbeauftragte und Zentrale Anlaufstelle für Betroffene
von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) Die Bundesregierung handelt. Die Regierung bietet vier Ministerinnen auf, die sich künftig mit dem Problem des sexuellen Mißbrauchs befassen sollen. Dafür wird ein Runder Tisch eingerichtet, der erstmals am 23. April 2010 tagen soll.
Der sexuelle Kindesmißbrauch wurde zuerst durch das Bekanntwerden von Mißbrauchsfällen in der Katholischen Kirche in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Seitdem beherrschen sexuelle Mißbrauchsfälle an kirchlichen und weltlichen Einrichtungen die Schlagzeilen. Am Mittwoch beschäftigte sich auch das Bundeskabinett mit diesem Problem. In der Kabinettssitzung wurde über die Einrichtung eines Runden Tisches beraten und die ehemalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) als Regierungsbeauftragte zur Aufarbeitung der Problematik des sexuellen Kindesmißbrauchs eingesetzt.
Der Runde Tisch soll nun ein gemeinsamer Tisch für drei Ministerinnen werden: Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU) und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Während die drei amtierenden Ministerinnen den gemeinsamen Vorsitz des Runden Tisches übernehmen sollen, übernimmt die ehemalige Familienministerin der SPD, Christine Bergmann, die Aufgabe einer unabhängigen Regierungsbeauftragten. Sie soll sich vor allem um Betroffene kümmern und für sie zur zentralen Anlaufstelle werden. Christine Bergmann kommt nicht zum ersten Mal mit "delikaten" Fragen zur Sexualität in Berührung. Bergmann setzte sich ehemals als Bundesministerin für die Legalisierung der Prostitution ein. Sie kann ihre Arbeit für Betroffene aber auch aus ihrer Erfahrung als Mutter von zwei Kindern erfüllen.
Eine Erfahrung besonderer Art kann auch Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger einbringen. Sie ist Mitglied des Beirats der Humanistischen Union, die sich in der Vergangenheit gegen einen verschärften Einsatz des Strafrechts zur Maßregelung pädophil veranlagter Menschen ausgesprochen hat und sich gegen eine Verwendung des Strafrechts zur Durchsetzung einer bestimmten Sexualmoral einsetzt. Die Kirchliche Sammlung um Bibel und Bekenntnis in Bayern (KSBB) hat darin allerdings einen inakzeptablen Konflikt mit ihrem Ministeramt gesehen und Leutheusser-Schnarrenberger aufgefordert, entweder ihre Mitgliedschaft bei der Humanistischen Union aufzugeben oder ihr Ministeramt niederzulegen.
Neben dem Runden Tisch und der Zentralen Anlaufstelle sind zwei Arbeitsgruppen eingerichtet. Eine Gruppe unter dem Vorsitz des Bundesfamilienministeriums soll sich mit dem Thema "Prävention, Intervention und Information" beschäftigen. Die zweite Arbeitsgruppe befasst sich mit dem Thema der "Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches, rechtspolitische Folgerungen sowie die Anerkennung des Leidens der Opfer sexuellen Missbrauchs in jeglicher Hinsicht". Den Vorsitz führt das Bundesjustizministerium.
Mit der jetzigen Besetzung der Spitzenfunktionen zur Aufarbeitung des sexuellen Mißbrauchs sind sowohl die Parteien der jetzigen Regierungskoalition wie der Vorgängerregierung beteiligt. Lediglich die der Katholischen Kirche nahestehende CSU ist in dieses Geflecht nicht eingewoben.
Das Parlament hat bisher noch keine nennenswerte Initiative ergriffen, um sich des Problems "sexueller Mißbrauch von Kindern" in der Gesellschaft im parlamentarischen Raum anzunehmen. Nach der amtlichen Kriminalstatistik gibt es jährlich etwa 15.000 bis 16.000 gemeldete Mißbrauchsfälle. Die tatsächliche Zahl dürfte ein Vielfaches betragen, weil die Dunkelziffer als sehr hoch einzuschätzen ist, wie sich an den Mißbrauchsfällen in Einrichtungen der Katholischen Kirche oder der Odenwaldschule zeigt. Die meisten Fälle sind erst Jahrzehnte später bekannt geworden. Auf Verlangen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird heute allerdings eine Aktuelle Stunde zum Thema "Konsequenzen aus den bekannt gewordenen Fällen sexueller Missbrauchs in kirchlichen und weltlichen Einrichtungen" stattfinden. Es hat den Anschein, als ob das Parlament der Digitalisierung eine größere Bedeutung als dem massenhaften sexuellen Mißbrauch von Kindern beimißt. Denn dem Thema „Internet und digitale Gesellschaft" widmet sich eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, die in der jetzigen Legislaturperiode eingesetzt wurde. Die katastrophalen Folgen des sexuellen Mißbrauchs und Fragen zur Sexualisierung der Gesellschaft wären es wert, zum Thema einer fraktionsübergreifenden Initiative des Parlamentes gemacht zu werden.
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