14.11.09
Ratsvorsitzende Käßmann verwundert
Russisch-Orthodoxe Kirche will Kontakte zur Leitung der EKD abbrechen
(MEDRUM) Wie ein Paukenschlag ging in den letzten Tagen die Meldung durch die Medien, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche (ROK) den Kontakt zur Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) abbrechen will. Ausgelöst wurde dieser Konflikt durch die Wahl der Landesbischöfin Margot Käßmann zur Ratsvorsitzenden der EKD.
Die erfolgreiche Kandidatur von Margot Käßmann für den Ratsvorsitz der EKD ist zu einer Belastung für das Verhältnis zwischen der ROK und der EKD geworden. Am Donnerstag kündigte der Außenamtsleiter des Moskauer Patriarchats, Erzbischof Hilarion Alfejew, der russischen Tageszeitung "Kommersant" zufolge an, dass die Kontakte zur EKD wegen der Wahl der Landesbischöfin Margot Käßmann beendet werden sollen. Aus Sicht der russisch-orthodoxen Christen ist die Übernahme des Spitzenamtes der EKD durch eine geschiedene Frau nicht mit dem biblischen Verständnis vereinbar. Wie von der EKD bestätigt wurde, hat die ROK das für den 30. November in Berlin geplante Treffen anlässlich der Feiern zum 50-jährigen Jubiläum des Dialoges zwischen EKD und ROK abgesagt.
Margot Käßmann äußerte, sie sei über diesen Schritt verwundert. Die Vorsitzende des Rates der EKD und Bischof Martin Schindehütte, Leiter der Auslandsabteilung der EKD, haben in einem gemeinsamen Brief an den Patriarchen der ROK, Kirill I., zu den Äußerungen des Außenamtes der ROK Stellung genommen. In ihrem Schreiben heißt es, „mit Verwunderung und großem Unverständnis" nehme man zur Kenntnis, dass „einige Vertreter des Außenamtes der ROK" die Wahlen der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Ulm in „unangemessener Weise" kommentiert haben.
Völlig unerklärlich erscheint die Reaktion der ROK indes nicht. Denn das Verhältnis von Margot Käßmann zur ROK ist vorbelastet. Am 4. September 2002 erklärte die Landesbischöfin ihren Rücktritt vom Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen, weil sie den "Abschlussbericht der Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK" nicht mittragen wollte. Käßmann war nicht bereit, die unterschiedliche Haltung der Orthodoxen Kirche zur eucharistischen Gemeinschaft zu respektieren. Die Bischöfin machte ihre Opposition zur Orthodoxen Kirche ebenso an ihrem Anspruch deutlich, die Orthodoxen müssten in der Frage der Ordination von Frauen in der Kirche lernen. Sie erklärte im Dezember 2002 in einem Interview mit VELKD-Informationen, die "Orthodoxie könne von den Kirchen der Reformation lernen, was die Partizipation von Frauen und Laien betreffe, wie das Amt stärker in die Gemeinde integriert werden könne und wie eine Kirche im Zeitalter der Aufklärung und auch mit Blick auf historisch kritische Methoden Kirche" sein könne. Sowohl in der Eucharistiefrage als auch in der Ordinationsfrage berührte sie Aspekte von zentraler Bedeutung für die ROK. Hinzu kommt die erschwerende Tatsache, dass sich Margot Käßmann 2007 von ihrem Ehemann scheiden ließ, was nach dem Verständnis der ROK mit der Übernahme des Spitzenamtes einer Kirche nicht zu vereinbaren ist.
Vor diesem Hintergrund ist die Haltung der ROK - wenn auch befremdlich - durchaus erklärbar. Eine derartige Reaktion konnte vor der Wahl vermutlich nicht erahnt, aber auch nicht ausgeschlossen werden. Als Käßmann dennoch für das Amt der Ratsvorsitzenden kandidierte, mussten sie und die Vertreter der Synode bei ihrer Entscheidung auch in Betracht ziehen, dass diese Personenwahl das Verhältnis zu anderen Kirchen fördern oder belasten kann. Dass sie das Amt des Ratsvorsitzes übernommen hat, ist nicht nur für die ROK, sondern auch für protestantische Christen in Russland und deren Verständnis von Kirche schwer verkraftbar. Alexander Priluzki, Chefsekretär der Evangelisch-Lutherischen Kirche Russlands, nannte die Wahl Käßmanns sogar ein "Krisenzeichen in der westlichen Gesellschaft". Margot Käßmann betont, Ökumene sei ihr wichtig. Sie wolle mehr und nicht weniger Ökumene. Wenn sie dies auch tatsächlich erreichen will, muß sie sich eingestehen, dass Maßstäbe für mehr oder weniger Ökumene nicht allein durch sie und die EKD, sondern auch durch andere Kirchen formuliert werden.
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