13.01.15
Die Illusion eines Marsches
Staatschefs "demonstrierten" in Paris abseits der Öffentlichkeit in sicherer Straße
(MEDRUM) Der Eindruck war überwältigend: Fast 50 Staatschefs und Spitzenpolitiker an der Spitze eines Solidaritätsmarsches, für den sich 1,5 Millionen Menschen in Paris versammelten - ein einzigartiges Ereignis für Frankreich. So suggerierten die Fernsehbilder.
Doch diese Bilder trogen. Denn für die tatsächlich angereisten Staatschefs wurde in einer abgeschotteten Straße eine Fläche reserviert, in der sie sich abseits von den Massen für bewegte und bewegende Bilder aufstellten, hinter ihnen eine Schar von Funktionären, und dahinter gähnende Leere, wie Videoaufnahmen zeigen. Wohl aus Sicherheitsgründen wurde entschieden, dass die Staatschefs nicht wirklich an der Spitze der Massen marschierten. Doch durch den Wechsel der Bilder zwischen den Staatschefs und den Demonstranten musste der Eindruck entstehen, dass die Spitzenpolitiker an der Spitze mit den Demonstranten marschieren. Darüber berichtet unter anderem der Nachrichtensender ntv:
"Nicht ganz die Wahrheit"
"Schulter an Schulter, vereint gegen den Terrorismus präsentieren sich zahlreiche Staatschefs aus aller Welt gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande den Fernsehkameras. Die Schnitte der Liveübertragung sollen ein Bild suggerieren, das so nicht ganz der Wahrheit entspricht."
Quelle der Bilder war das französische Fernsehen, so ntv. Es gab gute Gründe, denn das Sicherheitsrisiko war laut ntv unkalkulierbar. Die Botschaft der Bilder, die um die Welt ging, sei zwar gut gemeint gewesen, doch die Wahrheit sei auf der Strecke geblieben, und mit ihr auch ein Stückchen der Glaubwürdigkeit der Politik, kommentierte der Sender.
"Welch ein schlimmer Satz"
In einer Reaktion auf die Kritik an der Darstellung in der ARD reagierte ARD-Aktuell in einer Replik vom 13.01.15 mit Unverständnis: "Wenn sich Politiker vor eine Kamera stellen, ist das immer eine Inszenierung, jede Pressekonferenz ist eine Inszenierung. Mal ganz abgesehen davon, dass die Politiker in Paris tatsächlich die ersten und lange Zeit die einzigen waren, die beim Trauer-Marsch überhaupt marschiert sind." Auch die Kritik der Chefredakteurin der TAZ wies ARD-Aktuell entschieden zurück. Es mache ihn richtig sauer, so Dr. Kai Gniffke, wenn Ines Pohl einen solchen Satz bei dpa raushaue: "Leider belegt der Umgang mit den Bildern des Pariser Marsches der Mächtigen, dass das Wort ‘Lügenpresse’ nicht nur ein Hirngespinst der Pegida-Anhänger ist, sondern dass die Wirkung der Bilder – übrigens auch für deutsche Medienmacher – manchmal wichtiger ist als die Dokumentation der Realität.” Gniffke dazu: "Welch ein schlimmer Satz."
Zur Berichterstattung von ntv: → Vereint einsam: Staatschefs inszenieren Schein-Demo für die Kameras
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