30.01.14
Haben Menschen, die Brigitte Lösch kritisieren, nichts in dieser Gesellschaft verloren?
Eine kritische Nachfrage an die grüne Abgeordnete und Vizepräsidentin des baden-württembergischen Landtages
von Burkard Hotz
(MEDRUM) Brigitte Lösch (Die Grünen) hat in der aktuellen Stunde im Landtag von Baden-Württemberg scharfe Kritik an der Petition "Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens" und an ihrem Initiator, dem Realschullehrer Gabriel Stängle, geübt. In einer aufgeklärten Gesellschaft habe er nichts verloren, so Lösch. Kann das so ohne weiteres in einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft hingenommen werden?
Mit großem Interesse habe ich die Diskussion im Landtag über den neuen Bildungsplan und über die sich kritisch auf diesen beziehende Petition in der vergangenen Woche angesehen.
Im engagierten Rede-Beitrag von Brigitte Lösch in dieser Sache hat sie mit starker Vehemenz die Petition, die vor wenigen Tagen mit 192.000 Unterschriften abschloss, kritisiert. Sie hat ihr und damit dem Initiator dieser Petition vorgeworfen, Angst zu schüren und die Vorurteile gegen homosexuell lebende Menschen zu fördern. Es ist ihr gutes Recht, diese Petition so zu beurteilen und diese ablehnende Sicht auch öffentlich vorzutragen. Da ich zu den Unterzeichnern dieser Petition gehöre, habe ich verständlicherweise eine etwas andere Sicht der Dinge.
Doch ist aus der Kritik der Abgeordneten an der Petition Folgendes geworden: Wer dies sagt, der hat in unserer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft nichts verloren! Das ist eine ungeheuerliche Aussage! Und grotesker Weise hat sie diese Aussage bei einem Votum gemacht, mit dem sie Toleranz einfordert. Brigitte Lösch sagte nicht: „Eine solche Meinung oder eine solche Überzeugung hat in unserer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft nichts verloren“, sondern sagte, die Person, der Mensch, der diese Meinung/Überzeugung vertritt, hat in "unserer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft nichts verloren". Sie trennte nicht zwischen Meinung/Überzeugung und Person und das ist ungeheuerlich! Was Sie sagte, ist der Aufruf zur öffentlichen Exkommunikation aus allem. Sie bestreitet in einer öffentlichen politischen Aussage einem Menschen ausdrücklich das Existenzrecht in der Gesellschaft!
Das ist die Zerstörung jeder demokratischen Streit-Kultur. Wie kann sie - auch noch in dem geachteten Amt der stellvertretenden Parlamentsvorsitzenden – so etwas sagen, und das Ganze im Namen der Toleranz? Dass ein Mensch, weil er eine bestimmte Meinung öffentlich äußert, nichts in unserer Gesellschaft zu suchen hat, also verschwinden muss. Sie überschreitet damit auf verwerfliche Weise den geschützten Raum demokratischer Meinungsfreiheit, präsentiert sich in inquisitorischer Attitüde und ruft öffentlich mit Namensnennung zur Ausgrenzung, ja zur Zerstörung einer bürgerlichen Existenz auf! Das ist echt verstörend!
Und gemäß ihrer gesellschaftlichen Ausschlusslogik haben dann auch die 192.000 Unterzeichner, denn diese verbreiten ja auch Angst und Vorurteile, ebenfalls nichts mehr in unserer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft zu suchen. Ist das ihr Politikverständnis? Wer mich und meine Überzeugung kritisiert, fliegt raus!
Ich möchte zu Gunsten von Brigitte Lösch annehmen, dass sie sich in ihrer Rage vergaloppiert hat, und dass sie die Meinung/Überzeugung meint, die in unserer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft nichts verloren habe. Wenn das so ist, dann soll sie Charakter zeigen und um Entschuldigung für diesen Fehltritt bitten.
Wenn sie aber diesen Satz genau so meinte, wie sie ihn gesagt hat, dann ist sie es, die das Fundament der Demokratie, die Toleranz dem Andersdenkenden gegenüber zerstört. Dann ist sie es, die den arroganten Wahn einer sich totalitär gebärdenden Rechthaberei salonfähig macht: „Wer mich kritisiert, hat nichts in dieser Gesellschaft verloren!“
Ich jedenfalls werde mich nach Kräften dafür einsetzen, dass die Zahl derer, die Brigitte Lösch gerne aus unserer aufgeklärten und toleranten Gesellschaft rausgeworfen wissen will, kräftig zunimmt, und dass sie sich noch auf längere Zeit mit der nicht zu beseitigenden realen Existenz politisch Andersdenkender wird abmühen müssen.
Burkard Hotz
Burkard Hotz ist evangelischer Pfarrer und war 30 Jahre lang als Gemeindepfarrer und Seelsorger in einer Odenwald-Gemeinde tätig.