23.01.14
SchLAu, wie Akzeptanz sexueller Vielfalt in den Schulen gefördert werden kann
Streiflichter aus den Erfahrungen der rot-grünen Regierung in NRW als Vorbild für Grün-Rot in Baden-Württemberg
(MEDRUM) In Nordrhein-Westfalen (NRW) wurden nach dem Regierungswechsel im Jahr 2010 durch Rot-Grün wahre Kraftakte vollzogen, um die Vorstellungen von Schwulen und Lesben in einen Landesaktionsplan einzubringen und umzusetzen. Dabei wurde den Schulen ein besonderes Gewicht beigemessen. Für die Grünen in Baden-Württemberg war NRW Vorbild.
Zwei Pläne, eine strategische Einheit
Seit Wochen berichten und kommentieren die Medien: Die Grünen von Baden-Württemberg wollen die Akzeptanz sexueller Vielfalt in den allgemeinen Erziehungszielen des künftigen Bildungsplanes für die schulische Bildung verankern. Wie das die Landesregierung zu tun gedenkt, ist derzeit noch umstritten und weitab von einem politischen und gesellschaftlichen Konsens. Parallel dazu arbeiten die Grünen an einem sogenannten Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz.
Wie das Vorgehen der Grünen in NRW zeigt, darf der Bildungsplan für die Schulen nicht isoliert von einem landesweit ausgerichteten Aktionsplan betrachtet werden. Bereits in NRW spielten die Schulen eine ganz besondere Rolle, um den Schülerinnen und Schülern das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt nahezubringen. Zum Beispiel dadurch, dass in NRW sogenannte SchLAu-Gruppen (Netzwerk Schwul-lesbische Aufklärung), die auf ministerieller Ebene koordiniert werden, in die Schulen ausschwärmen. Beide Pläne bilden also vielmehr eine strategische Einheit, um gesellschaftspolitische Anschauungen von der Regierungsbank aus umzusetzen und so die gesellschaftliche Wirklichkeit zu verändern.
Anhörung zum Startschuss
Bereits am 20. April 2012 gaben die Grünen in Baden-Württemberg den Startschuß für ihr gesellschaftspolitisches Vorhaben zur Gleichstellung und Akzeptanz von sexueller Vielfalt. Sie ließen sich bei einer Anhörung insbesondere von der Hauptrednerin Marlis Bredehorst, zu diesem Zeitpunkt in NRW noch Staatssekretärin im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, inspirieren. Der Plan, über den sie informierte, hieß zunächst in Kurzform "Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie". Er erhielt später den offiziellen Namen "NRW Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt - gegen Homo- und Transphobie". Was wurde gemacht? Bredehorst, die selbst lesbisch orientiert ist und 2002 eine Lebenspartnerschaft einging, gab bei ihrem Vortrag jede Menge Antworten.
Ressortübergreifende Steuerung
Die Ex-Staatssekretärin, selbst 2003 Mitglied der Grünen geworden, stellte zunächst heraus, dass es in NRW darauf angekommen sei, die grünen Vorstellungen auf dem Gebiet der sexuellen Vielfalt zum Querschnittsthema zu machen. Alle Ministerien wurden eingebunden. Damit wurde gewährleistet, dass es nicht nur als "Nischenthema" ihres Ministeriums behandelt worden ist. Für die ressortübergreifende Steuerung wurde eine Planungsgruppe gebildet, die Bredehorst selbst leitete, und die im Dezember 2010 ihre Arbeit aufgenommen hatte (nach Landtagswahlen im März 2010).
Einbindung der LSBTTI-Netzwerke und der "riesigen Bewegung SchLAu"
Zweitens habe man die Landtagsfraktionen soweit wie möglich einbezogen, damit es keinen "politischen Hickhack" gegeben habe. Am wichtigsten sei jedoch gewesen, dass die schwul-lesbischen Organisationen, auch die Transorganisationen, des Landes mitgewirkt hätten. Dies sei relativ leicht gewesen, weil sie schon eine Netzwerkstruktur gehabt hätten. Dabei nannte Bredehorst vor allem den LSVD, der sich um die Interessen von Lesben und Schwulen kümmere, die beiden Netzwerke "Landesarbeitsgemeinschaft Lesben" und "Schwules Netzwerk" in NRW, und schließlich sei die "riesige Bewegung SchLAu" eingebunden worden, das seien diejenigen, die in die Schulen gingen und dort um das Thema werben würden. Bredehorst: "Es gibt sehr viele ehrenamtliche SchLAU-Gruppen. Wir fördern jetzt auch die Koordination dieser Gruppen. ... Wir haben bei der Erarbeitung des Planes gesagt, die müssen unbedingt dabei sein, weil Schule ein besonders wichtiges Thema ist."
Thema Kirche
Bredehorst sprach auch das Thema Kirche an. Das Thema sei ganz, ganz häufig aufgetaucht. Das sei bestimmt auch in Baden-Württemberg ein Thema (Gelächter im Hintergrund). Bredehorst: "In Essen hatten wir ja so Äußerungen des Bischofs. Wir haben einen Kölner Bischof, der auch manche Äußerungen macht."
Aus Bredehorsts Darstellung wurde deutlich, dass das Thema Kirche im Landesaktionplan zwar aufgegriffen, aber letztlich darauf beschränkt wurde, zu sagen, es gebe ein Referat in der Staatskanzlei als Anprechpartner für die Kirchen im Lande, und das Thema könne thematisiert werden.
Leitziele
Den Ausführungen von Bredehorst zufolge gehört zu den Leitzielen des Landesaktionsplanes:
Thema Schule mit besonderem Stellenwert bei Inhalten
Über die Inhalte trug Bredehorst nicht im Detail vor, sagte aber, in welche Richtung die Inhalte gehen:
SchLAu-Gruppen unter ministerieller Koordination
Die SchLAu-Koordination, das heiße schwul-lesbische Aufklärung in Schulen, die Landeskoordiantion arbeite jetzt hauptamtlich, so Bredehorst. Und dann seien zwei Mitarbeiter für "Schule ohne Homophobie" im Schulministerium eingesetzt worden. Das sei eine Kampagne zur professionellen Unterstützung. Ganz wichtig sei, dass das im Schulministerium stattfinde, weil das "sozusagen die Autorität gegenüber den Schulen" habe. Die Arbeit mit den Schulen wurde auf dem Gebiet der Jugendarbeit flankiert. Die Landesregierung von NRW startete dazu ein dreijähriges Modell-Projekt zur Unterstützung der schwul-lesbischen Jugendarbeit.
Perspektiven für Baden-Württemberg
Inwieweit die Landesregierung Baden-Württembergs die Erfahrung von NRW auf das Ländle übertragen wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau gesagt werden. Es gibt sowohl außerhalb wie innerhalb des Landtages unterschiedliche Vorstellungen über Maßnahmen zur Akzeptanz sexueller Vielfalt. Dazu gehört die Frage, wie sexuelle Vielfalt definiert ist (Frage des MdL Kern (FDP) bei der Landtagsdebatte am Mittwoch), und ebenso dazu gehören sowohl unterschiedliche Vorstellungen bei den Oppositionsparteien CDU und FDP als auch die Kritik der Petitioh "Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens", die mittlerweile von mehr als 160.000 Bürgern unterstützt wird. Ob die Sorgen dieser Bürger von der Regierung ernst genommen, werden wie es nicht zuletzt auch der Organisator des Christopher Street Days in Stuttgart empfohlen hat, oder ob in Baden-Württemberg einfach das vollzogen wird, was NRW vormachte, bleibt abzuwarten.