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Zwischenbilanz über die Jugend- und Familienkonferenz von Bund und Ländern

31.05.08


Zwischenbilanz über die Jugend- und Familienkonferenz von Bund und Ländern

Kommentar zum einem Interview des inforadios des rbb mit Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD)

von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) "Die
Jugend- und Familienminister und -senatoren von Bund und Ländern haben zwei
Tage zusammen gesessen", berichtet Inforadio rbb am 30. Mai. Dann beschreibt der
Sender, um was sich diese Vertreter von Bund und Ländern zu kümmern hätten, und
dass in diesem Jahr Bildungsminister Jürgen Zöllner der Chef der Runde sei.
Deshalb habe das Gremium in Berlin getagt. Ganz oben auf der Tagesordnung habe
diesmal das Projekt gestanden, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, so der
RBB. Dann kommt er zum Thema.

„Aber
wie weit ist man da in der Debatte? Gibt es gar klare Fronten zwischen SPD- und
Unions-geführten Ländern?", lauten die leitenden Fragen im Bericht. Wer
erwartet, es werden Fragen zur Substanz gestellt, liegt falsch.

Es
wird nicht danach geforscht, was die genannten Politiker mit Rechtsänderungen
konkret bewirken wollen, um die Lage der Familien zu verbessern - was
naturgemäß Kinder einschließt. Es wird nicht hinterfragt, welche Probleme und
welche ihrer Ursachen durch grundgesetzliche Änderungen beseitigt werden können
und sollen. Stattdessen wird fast schon pennälerhaft abfragt, ob die parteilichen
Fronten zwischen SPD und Union klar seien. Das ist typisch für einen
Hoppla-Hopp-Journalismus ohne Tiefgang, ohne analytische und fachliche
Kompetenz, und ohne die Fähigkeit, die Politik gegenüber der
Öffentlichkeit
darüber Rechenschaft ablegen zu lassen, was sie eigentlich treibt.
Vielleicht könnte man das noch akzeptieren, wenn nur ein Volontär für die
Führung des Interviews zur Verfügung gestanden war. Mit Volontären kann man der
Thematik Jugend und Familie aber auf der medialen Seite ebenso wenig gerecht
werden wie mit dilettantischer Politik. Hier ist "Meisterarbeit" gefragt.

Es
verwundert dann auch nicht, wenn die Politik ihre Erklärungen im Wesentlichen
darauf beschränken kann festzustellen, dass man vorankomme, und dass Einigkeit
bestünde. Sie präsentiert ihren Gesetzesaktionismus, mit dem sie in der letzten
Zeit häufig zu „glänzen" wusste. Die Eingriffe in das Familienrecht, die
Änderungen im Unterhaltsrecht, sind beredte Beispiel dafür. Nun sollen weitere
rechtliche Änderungen folgen, um Kinder zu schützen, als ob das, was
unschuldigen Kindern immer wieder an Leid zugefügt wird, nicht schon durch
geltendes Recht verboten und unter Strafe gestellt sei. Es sollte dennoch
niemanden wundern, dass Politiker sich erneut rechtlichen Regelungen zuwenden.
Sie wollen ihren Willen dokumentieren, etwas gegen Unrecht zu tun, das auch
heute schon Unrecht ist. Der Anteil der Juristen im Bundestag beträgt ein
Viertel, in manchen Fraktionen sogar darüber, und die Zahl der Juristen steigt.
Sie verstehen in erster Linie etwas von Recht. Das ist nicht unwichtig, in einem
Rechtsstaat. Aber, reicht es aus?

In
der Familienpolitik ist es noch lange keine hinreichende Bedingung zu wissen,
wie rechtliche Regelungen abzufassen und zu beschließen sind, auch wenn dies
die vornehmste Aufgabe eines Parlamentes ist.

Wie,
so könnte man sarkastisch fragen, wenn man Familien einfach per Gesetz
abschaffen würde? Wir wären ohnehin schon auf dem Weg dorthin, wenn der
Beschluss der Jungen Grünen Realität werden würde, die Ehe abzuschaffen. Das
wäre in der Tat ein gewaltiger erster Schritt auch in Richtung einer
rechtlichen Auflösung der Familie. De facto hat sie schon seit langem begonnen.
Nun wird ein weiterer Meilenstein zurückgelegt, wie es Christiane Lambrecht vom Familiennetzwerk in
ihren Gedanken zum Umbau der Gesellschaft verdeutlichen will. Kommt dies so,
muss die Familie völlig neu definiert werden. Ähnlich wie die natürliche
Geschlechtlichkeit durch das Gender Mainstreaming neu definiert wurde. Politik
für Familien kann und darf dies nicht ernsthaft wollen und gesellschaftlich
verantworten. Es wäre der Weg in eine Art soziale Anarchie, wie es der wohl
prominenteste Richter für Familienrecht in England für die britische
Gesellschaft vorhersieht.

Wer
verantwortungsbewußte Familienpolitik machen will, muss zunächst einmal einen
unbestechlichen Intellekt haben, ohne den eine nüchterne Bestandsaufnahme der
Lage von Familien und Kindern nicht denkbar ist, und der muss auch in der Lage
sein, die Ursachenanalyse für Probleme des gesellschaftlichen Kerns
„Familie" zu betreiben, die seit Jahren offenkundig sind.

Diese
Ursachen sind kaum von rechtlicher Natur und sie lassen sich demzufolge auch
kaum auf juristischem Wege beseitigen. Aber umgekehrt können juristische
Eingriffe tiefgreifende Änderungen auslösen, die am Problem vorbei führen und neue
Probleme schaffen.

Wer
die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Ursachen für die
schwierige Lage von Familien kennt, wird auch zu der Einsicht kommen, dass zur
Besserung der Lage eine Vielzahl von Maßnahmen getroffen werden müssten, für
die nicht im Entferntesten eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist.
Diese ist freilich kostenlos zu haben, vorerst.

Eine
Sanierung der Familie ist kurzfristig erheblich kostenträchtiger. Sie wäre
zunächst einmal mit einem Umdenken und einer Umkehr in ideologischen Fragen und
übergeordneten konzeptionellen Leitvorstellungen zu bezahlen: Familie müsste
Mainstream werden - Familien Mainstreaming müsste das Gender Mainstreaming
ersetzen. An die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten müssten
Familienbeauftragte treten.

Damit
würde Familien Mainstreaming statt des Gender Mainstreaming ein Auftrag an die
Spitze einer Verwaltung, einer Organisation, eines Unternehmens und an alle
Beschäftigten werden, die Interessen und Lebenssituationen von Familien in der
Struktur in der Gestaltung von Prozessen und Arbeitsabläufen, in den
Ergebnissen und Produkten, in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, in
der Steuerung (Controlling) von vornherein zu berücksichtigen, um das Ziel des
Schutzes von Ehe und Familie, so wie das Grundgesetz es gebietet, effektiv
verwirklichen zu können.

Weil
das Interview des rbb dazu nicht eine einzige substanzielle Frage stellt und
nicht einmal den Hauch einer Antwort auf die drängendsten Fragen liefert, ist
es ebenso wenig hilfreich wie ein politischer Gesetzesaktionismus und die
Doktrin des Gender Mainstreaming der Familie und Gesellschaft schaden. Es ist
nicht ein einziges Bit wert, auf dem es gespeichert ist. Halt, mit einer
Ausnahme: Zöllner erklärt, es gebe keine Fronten. Das ist doch schon etwas, was
auch für Juristen nicht alltäglich ist. Es bleibt aber eine schmale Bilanz für
die Politik und den Sender, der seinen Bericht mit „Bilanz Jugend- und
Familienkonferenz" überschrieben hat. Wann kommt endlich das Erwachen und
die Erkenntnis, dass die Familie keine neuen Kleider trägt, sondern ohne
Kleider dasteht?

Gedicht -> Erhaltet die Familien