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Von Storch zürnt - AfD-Chef Lucke kneift


13.10.14

Von Storch zürnt - AfD-Chef Lucke kneift

Auftritt von Conchita Wurst beim EU-Parlament stößt auf geteiltes Echo

(MEDRUM) Die Gewinnerin des European Song Contest 2014, Conchita Wurst, war auf Initiative der Grünen zum Mittagskonzert beim Europäischen Parlament nach Brüssel eingeladen. Das fand die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch gar nicht gut. Doch der Chef der AfD, Bernd Lucke, hat sich bedeckt gehalten.

Lunacek macht mit Politik mit der Wurst

Menschen wie die sogenannte Dragqueen Conchita Wurst lassen es nicht zu, in die zweigeschlechtliche Schablone von Mann oder Frau eingeordnet zu werden, sondern wollen irgendwo dazwischen stehen. Ihre Interessen vertreten sie nicht selten mit großer Inbrunst und Öffentlichkeitswirksamkeit. So gelang es der Dragqueen, am 8. Oktober 2014 vor dem Europaparlament in Brüssel aufzutreten und eine gemeinsame Pressekonferenz mit der Abgeordneten Lunacek zu geben. Laut WELT sagte Wurst in der Pressekonferenz, sie singe für "Toleranz und Respekt" und erwarte mehr Engagement von der Politik. Und unmittelbar vor dem Auftritt, der von der Europaabgeordneten Lunacek von der Fraktion der Grünen initiiert wurde: "Ich verstehe nicht, warum es ein Problem mit gleichgeschlechtlichen Ehen gibt." Unterstützung für die Einladung fand Lunacek nicht nur in den eigenen Reihen, sondern auch aus anderen Fraktionen. Laut WELT sagte Lunacek: "Die Botschaft von Conchita Wurst ist eine, mit der wir Menschen klarmachen können, dass Europa für die Werte steht, mit denen sie im Mai gewonnen hat." Die Parlamentarierin Lunacek wurde insbesondere im Zusammenhang mit dem Lunacek-Report zum "EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung" bekannt (MEDRUM berichtete: Luncacek-Bericht vom EU-Parlament beschlossen).

Applaus in Freie Welt für AfD und von Storch

Kein Verständnis für das Konzert zeigte die AfD-Abgeordnete des EU-Parlamentes, Beatrix von Storch (WELT: Conchita Wurst singt, Beatrix von Storch zürnt). Bereits im September nahm sie Anstoß an dem Vorhaben. „Die Mittel und die Energie des Parlamentes werden mit Auftritten wie denen dieser sich selbst ja so bezeichnenden Wurst verschwendet“, kritisierte von Storch laut der Zeitung Junge Freiheit. In ihrem Hausblatt "Freie Welt" ließ von Storch jetzt zum Auftritt von Conchita Wurst unter der Überschrift "Von Storch kritisiert Konzert von Conchita Wurst" verkünden: "Dies sorgt für Irritationen bei konservativen Abgeordneten wie Beatrix von Storch (AfD)." Ob ihr Protest allerdings auch von anderen AfD-Abgeordneten geteilt wurde, ließ von Storch offen. Die WELT schrieb dementsprechend: "Beatrix von Storch zürnt".  Fest steht, dass viele Leser der Freie Welt mit einschlägigen Kommentaren der AfD-Politikerin Applaus spendeten. Auszüge aus den veröffentlichten Kommentaren der Freie-Welt-Leser:

  • "Für viele Menschen ist allein der Anblick von Conchita Wurst abstoßend."
  • (über die Grünen): "Schädlinge, Parasiten. Andere zerstörerische Pflanzen."
  • "Ich nenne den Auftritt von Conchita Wurst ein Signal der Dekadenz, der Verrohung und Verwahrlosung."
  • "Soll doch das grüne Gesindel sie in einer von ihnen bezahlten Horror-Show auftreten lassen."
  • "Für mich wird immer deutlicher, welcherlei Unrat sich dort in Brüssel eingenistet hat und sich anmaßt, über mich … uns, zu bestimmen !"
  • "Es ist so bitter notwendig, dass es endlich die AfD gibt. Und es ist so wichtig, dass es Beatrix von Storch gibt."

Beatrix von Storch - pars pro toto in der AfD?

Was für die AfD-Politikerin und Vorsitzende des Vereins "Zivile Koalition e.V." Beatrix von Storch gilt, trifft allem Anschein nach allerdings kaum für die AfD als Partei insgesamt zu. AfD-Chef Lucke zeigte jedenfalls keine Bereitschaft, in den "Zorn" seiner Parteigenossin einzustimmen. Im Gegensatz zu Fragen des europolitischen Kurses gilt in diesem Fall also offenbar nicht pars pro toto. Lucke distanzierte sich andererseits aber ebenso wenig vom dem, was von Storch erklärte. Warum nicht? Es könnte die AfD Stimmen kosten. Da mag es lohnenswert erscheinen, sich bedeckt zu halten. Verwunderlich ist Luckes Haltung daher nicht.

Schon eher verwunderlich ist, dass Positionen, wie sie von Beatrix von Storch vertreten werden, nicht viele Wähler davon abhalten, die AfD zu wählen. Denn immerhin hat - wenn Wählerwanderungen zusammengerechnet werden - die AfD die Mehrzahl ihrer Stimmen von der Linkspartei, der SPD und der FDP gewonnen und links oder gar liberal ist die Position der AfD-Politikerin von Storch gewiß nicht. Und wirklich christlich wohl auch nicht. Aber vielleicht schauen viele Wähler da nicht so genau hin, oder sie meinen, für Beatrix von Storch gelte eben nicht pars pro toto. Warum sollte sie das dann bei der Stimmenabgabe auch kümmern? Auch dieses Kalkül könnte Luckes Haltung erklären.

ImageWerbung a la Bank Austria

Die Haltung von Beatrix von Storch ist nicht alternativlos. So könnte sich Lucke, wie auch immer er zum EU-Auftritt von Wurst stehen mag, ein Beispiel an der Bank Austria nehmen. Die Bank wirbt seit einigen Tagen mit einer BankCard, die Conchita Wurst zeigt (Bild links). Es ist nicht die einzige Werbekampagne der Bank, die mit der Contest-Siegerin auf Kundenfang gehen will. Könnte Wurst nicht ebenso als Werbeträger für die AfD auftreten? Was würden die Luckes, Henkels, Starbattys und von Storchs wohl dazu sagen?


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