Sie sind hier

TAZ wird zur "anti-Reli"-Kanzel für einen Bergprediger


15.01.09

TAZ wird zur "anti-Reli"-Kanzel für einen Bergprediger

Eine Predigt von Christian Füller mit fragwürdiger Überzeugungskraft

Ein Zwischenruf von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Jetzt läßt selbst die "TAZ" einen Bergprediger die Kanzel besteigen und präsentiert ein Sündenregister über "pro-Reli" und die christlichen Kirchen, um gegen die Wahlfreiheit für einen gleichberechtigten Religionsunterricht in Berlin ins Feld zu ziehen. "Predigt" gegen die Initiative "Pro Reli" nennt sie den Artikel "Verrat am christlichen Auftrag" von Christian Füller. Wird die Predigt in der "TAZ" ihrem christlichen Anspruch gerecht?

Schon mit seiner Einleitung zeigt der Autor des Artikels, worauf es ihm in seiner "Bergpredigt" ankommt: gegen die Initiative "pro Reli" zu stimmen. In der Ouvertüre formuliert er die These: "Die Kirchen kämpfen in Berlin für ein Pflichtfach Religion statt Ethik an den Schulen." Wer nicht weiterliest, kann schon hier auf die falsche Spur geraten. Wer weiterliest, wird falsch eingestimmt. Denn Füllers Behauptung ist noch nicht einmal die halbe Wahrheit, sondern schlicht eine irreführende und falsche Behauptung. "Pro Reli" und die Kirchen kämpfen nicht dafür, dass "Religion" statt "Ethik" Pflichtfach wird, sondern dafür, dass "Religion" künftig als gleichberechtigtes Fach und als Alternative zum Unterrichtsfach "Ethik" behandelt wird. Wenn also das Volksbegehren, das "pro Reli" anstrebt, erfolgreich sein sollte, heißt dies keineswegs, dass "Religion" statt "Ethik" Pflichtfach für alle werden würde - wie es Füller unterschwellig vermittelt, sondern nur für diejenigen, die nicht das Fach "Ethik", sondern stattdessen das Unerrichtsfach "Religion" wählen wollen. Kein Pflichtfach also, sondern nur dann verpflichtend, wenn sich Eltern oder Schüler dafür frei entscheiden. Eine solche freie Entscheidung ist derzeit in Berlin nicht möglich. "Ethik" ist Pflicht. Die Teilnahme ist zwingend. "Religion" kann nur zusätzlich als Wahlfach gewählt werden. Dagegen und für echte Wahlfreiheit setzt sich die Initiative "pro Reli" ein.

Füller wird dem Anspruch einer Bergpredigt also schon mit dem ersten Satz nicht gerecht, auch nicht dem von ihm selbst in seinem Artikel gesetzten Maßstab: "Du sollst kein falsches Zeugnis geben. Du sollst nicht lügen." Zwar nimmt er in Anspruch, dieses Gebot den Kirchen vorhalten zu können und unterstellt ihnen, dass sie dem Bürger die wahren Argumente vorenthalten, weshalb sie sich für den Religionsunterricht einsetzen, er sieht für sich aber offenbar keinen Grund, sich auch selbst an dieses Gebot zu halten.

Auch sein zweiter Satz verletzt den hohen Anspruch, den die Bergpredigt setzt. "Dabei ist die ungerechte Schule als solche der Skandal", folgt als Antithese zum Begehren der "pro Reli"-Initiative. Die innewohnende Logik von Füller lautet: kein Religionsunterricht, denn die Ungerechtigkeien in der Schule sind skandalös. Diese Logik gliche einem Postulat, sich nicht für eine angemessenere Behandlung christlicher Themen in der TAZ aussprechen zu dürfen, weil Unausgewogenheiten in der "TAZ" als solche der Skandal seien. Ebenso hätte Jesus in seiner Bergpredigt wohl kaum dazu aufrufen dürfen, friedfertig und sanftmütig zu sein, denn die Ungerechtigkeit dieser Welt als solche kann dem ebenso als Skandal entgegen gehalten werden. Mancher dürfte schließlich mit Recht diese Logik des Autors selbst als skandalös empfinden. Vor allem aber ist sie abwegig, auch für denjenigen, der das ehrenhafte Engagement von Füller für bessere und gerechtere Verhältnisse an den Schulen begrüßt und unterstützt. Die schulischen Verhältnisse sollten jedoch nicht für einen Kampf gegen "pro Reli" instrumentalisiert werden. Genauso wenig wie die christlichen Kirchen für die sozialen Ungerechtigkeiten in unserem Land und dieser Welt zur Buße herangezogen werden sollten. Das genau aber tut Füller. Viele werden da schon eher der überzeugenderen Logik folgen, dass gerade christlicher Religionsunterricht dazu beiträgt, ungerechte Verhältnisse an Schulen und anderswo zu ändern oder sie wenigstens transparent zu machen, wie Friedfertigkeit dazu beiträgt, Hass und Ungerechtigkeiten in dieser Welt zu mindern. Diese Logik der Bergpredigt bleibt Christian Füller jedoch unerschlossen oder blendet sie ganz einfach aus, denn sie stützt seine "anti-Reli"-Überzeugung nicht.

Auch in den folgenden Passagen wird Füller nicht viel redlicher. Unterstellungen müssen dafür herhalten,  seine Anti-Haltung gegen "pro-Reli" über den Leser auszuschütten. Er bemüht das Schwert des Kulturkampfes und antimuslimische Hassseiten im Internet, um die Legitimation der Kirchenvertreter zu untergraben, sich für den Religionsunterricht auszusprechen. Vollendet wird dieser unfaire Angriff mit der Diffamierung, "an genau jene Stereotype des antichristlichen Kreuzzuges im eigenen Land knüpfe die Kirche an". Kardinal Sterzinsky und Bischof Huber werden von Füller pauschal in Sippenhaft genommen und an den Pranger gestellt. Wer den Predigten und Reden der beiden Kirchenrepräsentanten aufmerksam folgt, kann ihnen wahrlich nicht vorwerfen, dass sie Hass und antimuslimische Ressentiments schüren oder sich diese dienbar machen. Sie können sich aber kaum gegen Vorwürfe der Marke "Füller" wehren, außer sie zurückzuweisen, denn konkrete Belege bleibt Füller seinen Behauptungen schuldig. Stattdessen erhebt den weiteren Vorwurf, die Kirche unternehme zu wenig für eine gerechte Schule und suggeriert, dies leiste jedoch der Ethik-Unterricht. Deshalb wünsche er der Initiative "pro-Reli" keinen Erfolg, schreibt er am Ende. Wenn er denn wenigstens den Nachweis für die Richtigkeit seiner Hypothese führen würde, dass Ethik-Untericht im Gegensatz zum Religionsunterricht tatsächlich zu einer gerechteren Schule beiträgt, wäre sein Fazit wenigstens nachvollziehbar. Doch auch dafür bleibt Füller Nachweis und stichhaltige Argumente schuldig.

Man muss Christian Füller zugestehen, dass er von der Kanzel predigt, verurteilt und anklagt, und man wird ihm zugleich vorhalten dürfen, dass er den Maßstäben einer Bergpredigt nicht gerecht wird. Seiner Predigt dürfen ehrenwerte Motive zwar nicht abgesprochen werden, ihr fehlt jedoch ein Stück an Wahrhaftigkeit und Redlichkeit, an zwingender Logik und tragfähigen Argumenten, die gegen einen gleichberechtigen Religionsunterricht und Wahlfreiheit an Berliner Schulen ernsthaft ins Feld geführt werden können. Füller's Artikel gegen "pro Reli" wird mehr durch seine Überzeugung als durch schlüssiges Für und Wider getragen. Sein Schlußruf "Wir bitten dich, erhöre uns", sollte darum besser nicht gehört werden, weder von dem Hirten da oben, noch von den  Schäfchen hier unten. Denn im Gegensatz zur "TAZ" und Christian Füller hat der Hirte da oben dem Menschen einen freien Willen und Wahlfreiheit gegeben. Das wollen die "TAZ", Christian Füller und die politisch Regierenden in Berlin dem Bürger vorenthalten.

"TAZ"-Artikel -> Verrat am christlichen Auftrag


MEDRUM-Artikel -> Berliner Politiker von SPD, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen gegen Wahlfreiheit der Bürger