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Kritischer Artikel von Christian Füller über "Grüne und Pädophilie" wird in TAZ nicht veröffentlicht


20.08.13

Kritischer Artikel von Christian Füller über "Grüne und Pädophilie" wird in TAZ nicht veröffentlicht

Pädophilie- und Missbrauchsdebatte geht auch ohne Unterstützung der TAZ-Chefredakteurin und grüner Spitzenpolitiker weiter - Erzbischof Zollitsch klärt "besser" und "gründlicher" auf als der "grüne Bischof Trittin"

(MEDRUM) Der profilierte TAZ-Redakteur Christian Füller schrieb einen Artikel zum Themenkreis "Grüne und Pädophilie". Doch seinem Beitrag zur Debatte, der in der Wochenendausgabe "Sonntaz" erscheinen sollte, wurde Imagedie Veröffentlichung versagt. Dies hat im Internet und in großen Medien eine Kontroverse über seinen Artikel und die Gründe der Nichtveröffentlichung ausgelöst. Doch jenseits dieses Blickpunktes stellen sich Fragen zum sexuellen Missbrauch, seinen Opfern und nach der "grünen" Verantwortung.

Pädophilie in der Ideologie der Grünen angelegt

Der renommierte, 2012 mit dem Medienpreis für Sprachkultur ausgezeichnete, Journalist Stefan Niggemeier löste am Sonntag mit einem Bericht in seinem Blog über einen Artikel von Christian Füller, der in der TAZ erscheinen sollte, dann aber gestrichen wurde, eine Welle von Reaktionen und Folgeberichten aus. So schreibt etwa die WELT: „Zensur bei "taz" als Wahlkampfhilfe für Grüne?” In dieser Diskussion geht es um den Umgang der Grünen mit der Pädophiliedebatte und die Frage, ob die Chefredakteurin der TAZ, Ines Pohl, eine Veröffentlichung aus "grünen" Motiven heraus untersagt oder verhindert hat. Doch diese Frage dürfte für viele Zeitgenossen erst in zweiter Linie von Interesse sein. Denn Füllers Essay liefert vor allem bedenkenswerten Zündstoff in der Sache selbst. Seiner Analyse entsprechend vertritt er die These, Pädophilie sei in der Ideologie der Grünen angelegt gewesen. Und es habe Opfer gegeben, an deren Seite sich die Grünen stellen müssten.

Nur Empathie für die Opfer der anderen

Für den Autor stehen die Opfer des Missbrauchs im Vordergrund. So leitet er seinen Artikel auch mit einer Schilderung ein, was ein 10-jähriges Mädchen erleiden musste. Ihr Onkel hatte sie nach der Kommunion missbraucht. Sie musste sein Glied in den Mund nehmen, schrieb sie 1985. Sie sei in einem Punkt traumatisiert. Doch statt Zuwendung zu erfahren, sei sie, nach Erscheinen ihres Textes, von Mitgliedern der Grünen "fertiggemacht" worden, Wie sie ihre individuellen Erfahrungen denn verallgemeinern könne, sei ihr damals vorgeworfen worden, so Füller. Ihm ist klar, dass die damaligen Vorgänge "olle Kamellen" sind. Aber, es sei nicht die Frage, wie alt diese Papiere sind, sondern "wie grüne Politiker derart drastische Missbrauchsschilderungen lesen konnten, ohne sich auf die Seite der Opfer zu stellen". So zeigt Füller kein Verständnis dafür, wie im Fall Cohn-Bendit mit dem Thema Missbrauch umgegangen wurde, und bezeichnet Cohn-Bendit als "populärsten Verherrlicher von kindlicher Sexualität". Füller fragt: "Wieso wurde pädokriminelle Propaganda einfach hingenommen?" Den Grund sieht er in der Tatsache, dass die Grünen vor allem "Gläubige" seien, Gläubige, die an eine "bessere, weil grüne Welt" glauben. Darin sieht der Journalist auch den Grund, weshalb es unter den Grünen "nur Empathie für die Opfer der anderen" gebe. Er richtet den Blick auf die Haltung von Renate Künast, die beim Missbrauchsskandal 2010 zu jenen gehörte, die am lautesten Aufklärung forderten. MEDRUM berichtete unter der Überschrift "Vom Entkriminalisierer zum Chefankläger des Mißbrauchs?".

Katholische Kirche klärt Missbrauch besser und gründlicher auf als die Grünen

Die heutige Haltung grüner Spitzenpolitiker stößt auf energischen Widerspruch. Der Autor hält Jürgen Trittin vor, noch in seinem jungsten Interview in der Welt jedem Vergleich mit der Kirche auszuweichen. Das sei nur insofern richtig, spitzt Füller zu, als die katholische Kirche anders aufkläre als die Grünen, nämlich so betont er: "besser und gründlicher". Der TAZ-Redakteur stellt dabei die abweisende Haltung Jürgen Trittins heraus. Anders als Erzbischof Zollitsch habe sich der "grüne Bischof Trittin" geweigert, eine Anlaufstelle für Opfer grüner Täter einzurichten. Bei den damals Beteiligten mache man sich sogar darüber lustig. Schnell bekomme man hämische Bemerkungen zu hören.

Institutioneller Einfluss

Für Füller ist es entscheidend, nach dem institutionellen Einfluss und der "grünen Ideologie" zu fragen. Dazu schreibt er: "Die Partei war durchsetzt von pro-pädophilen Gruppen aller Art. Es gab die sogenannten Kinderrechtler. Es fanden sich grüne Knastgruppen, die verurteilte Kindervergewaltiger vor dem Gefängnis schützen wollten, weil dort ‚eine Atmosphäre sexueller Rohheit herrscht’. Schließlich existierten pädokriminelle AGs, etwa die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule und InPäderasten, kurz ‚SchwuPs’, die die Abschaffung des kompletten Sexualstrafrechts forderten. Das hätte bedeutet, sogenannten Sex mit Kindern und Schutzbefohlenen genauso zu legalisieren wie Kinderpornografie und Abbildungen sexueller Gewalt." Weiter stellt Füller fest: "Die AG SchwuPs war eine der grünen Bundestagsfraktion direkt angegliederte Arbeitsgruppe". Sie sei nicht aktiv aus der Fraktion geworfen worden. Auch habe es bei den Grünen damals keine öffentliche Distanzierung von den Propagandisten gegeben.

Grüne Befreiungsideologie jugendicher Sexualität

Plausibel werden die damaligen Entwicklungen auch durch Füllers Argument, dass Pädophilie keine Nebensache, sondern in der "Ideologie der Grünen angelegt" gewesen sei. Er betont, dass "die Kinderladenbewegung" zum "Markenkern der studentischen Linken und der daraus entstehenden Grünen" gehört habe, Die sexuelle Befreiung, auch die des Kindes, sei das wichtigste Mittel der "gesellschaftlichen Entrepressierung" gewesen. Die Vorstellung von einem "Zusammenhang zwischen sexueller Unterdrückung und repressiven Typen", so hebt der Journalist hervor, sei aus den Theorien von Horkheimer, Adorno und Wilhelm Reich herausgelesen worden und eine grüne "Befreiungsideologie jugendlicher Sexualität" entstanden.

Grüner Gesetzentwurf 1985 als erster Schritt zur Entkriminalisierung

Dafür, dass Füllers Analyse zutrifft, und dafür, dass die damaligen Anschauungen bei den Grünen nicht ohne politische Wirkung geblieben waren, gibt es unabweisbare Belege. Denn entgegen der Behauptung, die von grünen Spitzenpolitikern aufgestellt wurde, es habe keine Beschlüsse bei den Grünen gegeben, gab es nicht nur Parteibeschlüsse auf Landes- und Bundesebene (MEDRUM berichtete), sondern sogar einen Gesetzentwurf, den die Bundestagsfraktion der Grünen 1985 in das Parlament einbrachte und der eine "Entkriminalisierung" unterstützte. Die Strafbarkeit "einvernehmlicher sexueller Kontakte behindert die freie Entfaltung der Persönlichkeit", hieß es im Gesetzentwurf. Ziel war es, "einvernehmlich" gewünschte sexuelle Handlungen zu entkriminalisieren. Dazu, so die Grünen damals, sollte ihr Gesetzentwurf "nur ein erster Schritt" sein.

Missbrauch in Kommune statt fester Mutter-Kind-Beziehung

In den ideologisch begründeten Initiativen der 1980er Jahre spiegelt sich das praktische Missbrauchsgeschehen wider. Auch dies geht deutlich aus Füllers Darstellung hervor. Er zitiert eine Mutter, deren Sohn sie heute, 30 Jahre später, fragte, ob ihr damals klar gewesen sei, dass "die Kommune Kinder missbrauchte". Die Mutter erwiderte unter Tränen: "Wir dachten, feste Mutter-Kind-Beziehungen sind schädlich für das Kind."

Angeblich falsche Tatsachenbehauptungen

Wer Füllers Beitrag liest und um die damaligen Zusammenhänger und Einflüsse weiß, kann nur bedauern, dass die TAZ diesen Artikel zwar "bestellt" (laut Stefan Niggemeier durch das Ressort der Wochenendbeilage »Sonntaz«), aber nicht veröffentlicht hat. Die Gründe bleiben jedoch im Unklaren. Die Zeitung DIE WELT unterstreicht, über die Gründe dürfe spekuliert werden. Die Begründung der TAZ-Chefredakteurin Pohl, der Artikel enthalte falsche Tatsachenbehauptungen, wäre prinzipiell zu akeptieren. Es bleibt allerdings ein Rätsel, welche Tatsachenbehauptungen angeblich falsch sein sollen. Und überdies: Selbst wenn dies zuträfe, hätten falsche Tatsachen rasch korrigiert werden können, falls der Zeitung an einer Aufklärung und Diskussion des Themas "Grüne und Pädophilie" wirklich etwas gelegen hätte.

Opfer, Täter, und Verantwortung

Zur Pädophilie- und Missbrauchsdebatte liefert  Füllers Essay, den er mit dem Titel "Befreites Menschenmaterial" überschrieb,  einen substanzreichen Beitrag - im Gegensatz zur Chefredakteurin Pohl, die 2009 vom “medium magazin” noch als Newcomer zu den Journalisten des Jahres gewählt worden war. Doch wie MEDRUM erfuhr, wird der Artikel bei der TAZ definitiv nicht veröffentlkicht werden. Weder werden die TAZ noch grüne Spitzenpolitiker so an Glaubwürdigkeit gewinnen. Die notwendige Debatte werden sie aber schon  Blick auf die Opfer nicht verhindern, allenfalls verzögern können. Wo es Opfer gibt, da gibt es auch Täter, und da gibt es auch Verantwortung, nicht zuletzt auch journalistische. Seiner journalistischen Verantwortung hat sich Christian Füller, der sich bereits bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule besonders verdient gemacht hat, jedenfalls erneut gestellt, auch wenn die TAZ dies nicht goutierte.

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Über Christian Füller

Christian Füller studierte Politikwissenschaften und schreibt als Redakteur und freier Journalist. Seit 1997 leitet er das Bildungsressort der Berliner tageszeitung. Er schreibt ferner für Spiegel Online, den Freitag, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und für politische Zeitschriften wie die "Blätter für deutsche und internationale Politik" oder die Berliner Republik. Zu bildungspolitischen Themen publiziert er den Blog pisaversteher. Der Journalist ist Autor mehrerer Bücher. Seine beiden letzten Werke: "Sündenfall", DuMont, 2011; "Ausweg Privatschulen?", Ed. Körber-Stiftung, 2010.

Das Buch "Sündenfall": ein Lehrstück!

Profiliert hat sich der Journalist und Autor des Buches "Sündenfall. Wie die Reformschule ihre Ideale missbrauchte"(Bild links) besonders bei der Aufarbeitung des Missbrauchs an der Odenwaldschule. Der Fernsehsender 3sat schrieb dazu: "Den Journalisten und Bildungsexperten Christian Füller haben die Missbrauchsfälle nicht losgelassen. Und er hat herausgefunden: Es waren keine bedauerlichen Einzelfälle. Es war ein ‚Sündenfall’ - mit System." 

ImageIn seiner Kurzbeschreibung sagt der Dumont-Verlag: "Viele gute Ideen haben wir der Reformpädagogik zu verdanken. Doch die Fähigkeit zur Selbstkritik scheint ihr bisweilen zu fehlen mit fatalen Folgen für die ihr anvertrauten Schützlinge. Die Odenwaldschule galt fast hundert Jahre lang als das reformpädagogische Vorzeigeinternat und war doch Schauplatz eines unheimlichen Lehrstücks. Während man den Schulleiter Gerold Becker als charismatischen Superlehrer feierte, ließ dieser alle Formen sexuellen Missbrauchs zu und beging sie selbst. Christian Füller, Journalist und ausgewiesener Kenner der Bildungslandschaft Deutschland, stellt in Sündenfall die entscheidende Frage: ob nicht der Missbrauch die Achillesferse der Reformpädagogik ist. Nur wenn sich die Reformpädagogen mit der Nähe zwischen Lehrern und Schülern aufrichtig auseinandersetzen, können sie ihre Integrität zurückgewinnen und Schüler geschützt werden.

Christian Füller: "Wodurch ließ sich die pädagogische Elite Deutschlands korrumpieren? Sie hat getan, was sie nie wieder tun wollte: wegsehen, nicht-wahrhaben-wollen, zum Komplizen werden. Der Fall Odenwaldschule ist der Sündenfall der liberalen Republik."

Nach dem Urteil vom Deutschlandradio Kultur gehört Füllers Buch zur Pflichtlektüre für alle, die mit Kindern und Jugendichen zu tun haben:  "Christian Füller hat ein Buch über das Versagen von Mitmenschen vorgelegt und von Institutionen. Alle, die für Kinder und Jugendliche Verantwortung tragen, sollten es als Lehrstück lesen."

Christian Füller: Sündenfall. Wie die Reformschule ihre Ideale missbrauchte. DuMont-Verlag, Köln 2011
Gebundene Ausgabe: 255 Seiten
Auflage: 1 (9. März 2011)
ISBN-10: 383219634X
ISBN-13: 978-3832196349
Größe: 21,2 x 14,2 x 2,6 cm

Das Buch "Sündenfall" ist beim Verlag vergriffen. Mit einer zweiten Auflage ist nicht zu rechnen. Sollte der Wunsch bestehen, das Buch anderweitig zu beziehen, bitte Email an info@medrum.de


Artikel von Christian Füller zu den Themenkreisen "Missbrauch" und "Bildung":

Grüne und „Sex mit Kindern“: Im Zentrum der Macht

Dany im Kinderladen

Großer Kinderladen BRD

Die Verantwortlichen demütigten ihre Opfer. Schluss mit den Tricks

Geleugnete Schuld - Vom Stand und Stillstand der Missbrauchsdebatte

Alarmierende Studie: Deutschland, Land der Schulabsteiger

"Mein Kind first": Wie Eltern gute Schulen verhindern


Buchempfehlung zum Thema Aufklärung und "sexueller Kindesmissbrauch":

Die missbrauchte Republik - Aufklärung über die Aufklärer


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