Sie sind hier

Homo-Denkmal in Berlin eröffnet

Homo-Denkmal in Berlin eröffnet

Kassandraruf über das politisch korrekte und doch inkorrekte Denkmal

(MEDRUM) Am 27. Mai wurde das Homo-Denkmal in Berlin eröffnet. „Seit Dienstag erinnern zwei sich endlos küssende Männer zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz in Berlin an die Verfolgung der Homosexuellen in der NS-Zeit und die Diskriminierungen von Schwulen in der Gegenwart" - erklärte die deutsche Webseite ‘Netzeitung'.

Diese Szene ist zentraler Bestandteil des vom deutschen Bundestag im Jahr 2003 beschlossenen nationalen Homo-Denkmals, mit dem der weit über 50.000 Homosexuellen gedacht werden soll, die Opfer der NS-Zeit geworden seien. Der regierende Bürgermeister der Stadt Berlin, Klaus Wowereit (SPD), war bei der Eröffnung zugegen. Die Berliner Koalition aus SPD und der Partei Die Linke hatte aus dem Haushalt der Stadt Berlin 600.000 EURO für den Denkmalbau aufgebracht.

Heute blicke man „fassungslos auf diese Brutalität" zurück - erklärte der Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste. Die Worte von CDU-Politiker Bernd Neumann, „daß jede Art von Diskriminierung gegenüber Andersdenkenden und -lebenden in unserer Gesellschaft keinen Platz mehr hat", deckt sich mit der Linie des früheren Bundesinnenministers Otto Schily (SPD), der erklärte: „Gegenüber der Intoleranz darf es keine Toleranz geben." Diese Sichtweise gehört zu den Grundlinien der deutschen Politik. Volker Beck (Bündnis90/Die Grünen), menschenrechtspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, möchte dieses Denkmal zum Stein des Anstoßes für ausländische Staatsgäste machen. „Ich wünsche mir, dass das Denkmal auch ein Stein des Anstoßes für ausländische Staatsgäste sein wird.", erklärte er. In über 80 Ländern sei Homosexualität nach wie vor verboten, das Denkmal sollte zum festen Bestandteil des Besuchsprogrammes von ausländischen Delegationen gehören", ist seine Auffassung.

Vertreter aus dem Bereich der Kirchen lehnen zwar jegliche Gewalt gegen Homosexuelle ebenso einmütig ab wie Gewalt gegen alle Menschen, stehen der Homosexualität selbst aber kritisch gegenüber. Der natürliche Sinn der Sexualität liegt aus kirchlicher Sicht in der Fortpflanzung und Liebe zwischen Mann und Frau. Homosexuelle Praktiken werden dementsprechend als eine unnatürliche Form sexueller Betätigung betrachtet.

Kritik am Berliner Denkmal wurde aus verschiedenen gesellschaftichen Kreisen geübt. So kritisierte ein Historiker der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem,
Israel Gutman, vor der polnischen Tageszeitung 'Rzeczpospolita' das Homo-Denkmal in Berlin. Der Historiker hielt es für einen Skandal, wenn Besucher den Eindruck bekämen, daß es zwischen den
Leiden der Juden und denen der Homosexuellen keinen großen Unterschied
gegeben habe. Gutman glaubte, "die Deutschen" hätten das Ausmaß der
Verbrechen im Dritten Reich verstanden. "Diesmal haben sie einen Fehler
gemacht.", meinte er.

Kritik aus ganz anderen Gründen übte einst Alice Schwarzer. In ihrer Zeitschrift "Emma" war zu lesen, dass das Homo-Mahnmal nicht lesbisch genug sei. "Der Entwurf des Denkmals für die homosexuellen Opfer in der NS-Zeit muss ergänzt werden um die lesbischen Opfer", schrieb ihre Zeitschrift. Alice Schwarzer nahm offenbar Anstoß am Entwurf des dänisch-norwegischen Künstlerduos Michael Elmgreen und Ingar Dragset, das zunächst ohne jeglichen Protest ausgewählt worden war. Es sollte in der Form Peter Eisermans Stätte für die ermordeten Juden ähneln. Im Internet rief die Zeitschrift "Emma" von Alice Schwarzer zum Widerstand auf. Der Text der Unterschriftenaktion lautete: Ich protestiere dagegen, dass das geplante Homo-Denkmal in Berlin ausschließlich männliche Homosexuelle zeigt und fordere, dass auch die weiblichen Homosexuellen angemessen berücksichtigt werden."

In die Kritik der Zeitschrift "EMMA" von Alice Schwarzer stimmte auch die Iranian women's Network Association (SHABAKEH) ein. Sie kritisierte, dass die Lesben vergessen worden seien. "Mal wieder die Frauen vergessen!", ist auf der Internetseite dieser Vereinigung zu lesen. Dass die Unsichtbarkeit und Verleugnung der homosexuellen Frauen durch das Denkmal auch noch
fortgeschrieben wäre, sei ein handfester politischer Skandal.

Einen solchen Skandal verhindern, wollten Klaus Wowereit (SPD), Frauensenator Harald Wolf (PDS/Die Linke), die Vorsitzende des Bundestags-Kulturausschusses, Monika Griefahn (SPD), und die für Denkmäler zuständige Senatorin für
Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Aber auch die Grünen unterstützten die Kritik aus den Kreisen der Lesben: „Die Lesben wurden bei der
Umsetzung des Auftrages vergessen“, kritisierte Renate Künast (Bündnis90/Die Grünen). Auch Volker Beck bedauerte dass die Frauern übersehen worden waren. Günter Dworek, vom LSVD-Bundesvorstand, der dieses Denkmal initiierte, betonte, dass das Denkmal „keinen ausschließenden Charakter bekommen“ dürfe.

In diese Art der Kritik dürfte Eva Herman kaum einstimmen. Für sie spielen vermutlich ganz andere Überlegungen eine Rolle. Sie ist der Auffassung, dass homosexuelle Beziehungen das Fehlen positiver Vaterfiguren kompensieren. Das Denkmal dürfte also aus Sicht von Eva Hermann eher dazu beitragen, das Resulat des Defizits in Stein zu meißeln, als es zu beseitigen, ganz abgesehen davon, dass weder die Initiatoren noch Politikerinnen und Politiker ein Denkmal für positive Vaterfiguren errichten wollten.

Vielleicht wird man auch der positiven Vaterfigur irgendwann einmal ein Erinnerungs-Denkmal setzen, um an all jene zu erinnern, die in vorangegangenen Generationen noch als Väter und Mütter Familien gründeten. Nachwuchs läßt sich ja wohl schon bald durch die Fortschritte der Reproduktionsmedizin und Gentechnik in Reagenzgläsern und Brutkästen erzeugen. Für die Aufzucht von Retortenbabies aus dem Eis müsste dann nur noch die Lücke zwischen Brutkasten und Kindergrippe - vielleicht durch Babygrippen? - geschlossen werden. Diese Lücke dürfte sich aber mit der gleichen Zielstrebigkeit und Tatkraft schließen lassen, die bereits bei dem beschlossenen Ausbau außerfamiliärer Kinderbetreuungstätten an den Tag gelegt wurde. Sie sollte also kein wirkliches Problem darstellen. Auf Väter und Mütter könnte man unter solchen Umständen vermutlich vollends verzichten. Dass ein Erinnerungs-Denkmal allein an Väter dann aber als politisch inkorrekt angesehen werden würde, scheint klar zu sein. Die Mütter dürften jedenfalls nicht vergessen werden. Soviel können wir schon aus der Debatte um das korrekte oder inkorrekte Homo-Denkmal allemal lernen.