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Besorgter Appell an den Bundespräsidenten


03.09.10

Besorgter Appell an den Bundespräsidenten

Der Fall Sarrazin: Es geht um die Freiheit der Rede und des Gewissens, aber auch um inneren Frieden

(MEDRUM) Bundespräsident Christian Wulff hat über die Abberufung von Thilo Sarrazin aus seiner Aufgabe als Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank zu entscheiden. An dieser Frage scheiden sich die Geister wie selten zuvor.

Die Spitzenvertreter der im Bundestag vertretenen Parteien befürworten eine Abberufung Thilo Sarrazins, ein sehr großer Teil der Bevölkerung ist gegen eine solche Abberufung, wie viele Umfragen und Reaktionen gezeigt haben.  Der Bundespräsident muß in einer Angelegenheit entscheiden, über die erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland entschieden werden muß, und er wird diese Entscheidung gegen gewichtige Stimmen treffen müssen, entweder gegen die Vorstellungen der Parteien oder gegen die Auffassung der weit überwiegenden Mehrheit der Deutschen. Hier hat sich eine bisher nicht dagewesene Kluft zwischen dem Souverän und denjenigen aufgetan, die im Auftrag des Souveräns zu handeln haben.

MEDRUM liegt der Brief eines erfahrenen und verdienten Kirchenrates an den Bundespräsidenten zur Entscheidung über die Abberufung von Thilo Sarrazin vor, in dem der Bundespräsident gebeten wird, dem Antrag der Bundesbank nicht zu folgen. Er appelliert an das deutsche Staatsoberhaupt, dem hohen Gut der Freiheit der Rede, des Gewissens und dem inneren Frieden den notwendigen Stellenwert beizumessen. Diese besorgte, christlich geprägte Stimme eines verantwortungsbewußten Vertreters aus dem Volk wird dokumentiert:

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

kaum haben Sie Ihr schönes Amt angetreten, da stehen Sie schon vor einer Entscheidung, deren Tragweite für unser Land und auch Ihr Amt kaum abzuschätzen ist. Es geht dabei um das hohe Gut der Freiheit der Rede und des Gewissens, aber auch um den inneren Frieden in unserem Land.

Ganz gleich, welche Fehlaussagen Herrn Dr. Sarrazin vorzuwerfen sind, sie können nicht so schwer sein, dass sie eine in der Geschichte unserer Republik einmalige Entscheidung des Bundespräsidenten begründen könnten, nämlich die Abwahl aus der Verantwortung für die Bundesbank zu bestätigen.

Gleich, was man ihm vorwirft, Dr. Sarrazin hat das Verdienst, ein Problem in die öffentliche Diskussion zu bringen, das bisher leider weithin - auch von den Verantwortlichen in Politik und Öffentlichkeit - verschwiegen wurde: die dramatische demographische Entwicklung und deren Folgen für die Probleme der Integration. Umfragen zeigen zu deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen den Thesen von Herrn Dr. Sarrazin zustimmt.

Angesichts dieser Sachlage möchte ich Sie herzlich bitten, der Abwahl von Herrn Dr. Sarrazin nicht die erforderliche Zustimmung zu geben.

Auch die Verweigerung der Zustimmung wird Probleme bringen; sie sind aber geringfügig gegenüber einer Bestätigung der Abwahl.

Sie sind hier allein unserem Volk und vor Gott verantwortlich, zu dem Sie sich bei Ihrem Amtsgelübde bekannt haben.

Gott schütze Sie und unser Land

Hans Lachenmann, Kirchenrat i.R.

Am 3. September 2010

Leserbriefe

Den Appell von Herrn Lachenmann an unseren Bundespräsidenten unterschreibe ich. Herr Lachenmann gehört zu den wenigen öffentlichen Personen, die den Durchblick haben. Er hat einen sehr weisen Brief geschrieben. Denn es geht erstlinig nicht um die Person Sarrazin. Es geht nicht nur um eine Entscheidung, Herrn Dr. Sarrazin den Vorsitz der Bundesbank zu entziehen. Es geht um viel mehr. Es geht um unsere Freiheit. Hier insbesondere um das gesetzlich garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung. Es wird jetzt offenbar werden, inwieweit das Recht des einzelnen Bürgers durch das Grundgesetz (aber ohne Verfassung) noch garantiert ist. Es ist eine sehr ernste Angelegenheit. Die "falsche" Entscheidung des Bundespräsidenten kann soziale Unruhen in unserem Land zur Folge haben. Es ist nicht gesagt, dass es bei friedlichen Aufständen "Wir sind das Volk" wie damals in der ehemaligen DDR bleiben wird. Herr Dr. Sarrazin hat mit seinen Äußerungen den Regierungen der letzten Jahre "den Kopf gewaschen" und ihnen den Spiegel vorgehalten mit dem Tenor, dass sie versagt haben. Das ist m.E. der Grund, warum von Seiten der politisch Verantwortlichen so scharf geschossen wird. Getroffene Hunde bellen, sagt ein Sprichwort. Jetzt wäre die Gelegenheit, von politischer Seite Fehler einzusehen und zu korrigieren. Aber sie wollen es immer noch nicht wahr haben, obwohl 89 % des Volkes Dr. Sarrazin unterstützt. Sie greifen zu Methoden, die im folgenden Zitat ausgedrückt werden: "In früheren Zeiten bediente man sich der Folter. Heutzutage bedient man sich der Presse." Oscar Wilde

Ich finde es erfreulich, dass auch Medrum dem „Fall Sarrazin“ breiten Raum gibt; es ist ja auch nicht ein Fall Sarrazins, sondern der ungebremste Fall der herrschenden Nomenklatura und der angeschlossenen Medien. Das Thema Moslem-Integration war endlich laut anzusprechen; dafür gebührt Sarrazin Anerkennung und nicht Vernichtung. Bravo an Medrum für den Kampf um die Meinungsfreiheit, wie auch schon beim Marburger Kongress! Andererseits meine ich, dass eine Partei rechts der CDU und Sarrazin nicht zusammenpassen. Sarrazin befürwortet mW Kita-Pflicht und Ganztagsschulen: Das lehne ich ab.