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50 Jahre Gleichberechtigung


11.06.08

50 Jahre Gleichberechtigung - Ist die heutige Politik der Gleichstellung noch zeitgemäß?

Ein Plädoyer für eine moderne Politik der Gleichbehandlung

von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) "50 Jahre Gleichberechtigung - wann kommt der Männerbeauftragte", heißt es heute Abend in der ARD-Sendung von Frank Plasberg (MEDRUM-Meldung v. 10.06.08). Wo stehen wir heute mit der Gleichberechtigung und wohin könnte die noch führen, steckt als Frage hinter dem Titel. Ist diese Fragestellung und Perspektive eigentlich zeitgemäß oder muss sich Gleichberechtigung, wie sie heute noch verstanden wird, nicht ganz neu orientieren? Diese Frage soll aus Anlass der heutigen Sendung von Frank Plasberg in nachfolgenden Überlegungen kritisch betrachtet werden.

Gleichstellung von Frau und Mann als Konkurrenten in Beruf und Karriere

Der Titel der Sendung lenkt zunächst davon ab, dass sich die praktische Politik längst nicht mehr nur mit der Frage gleicher Rechte befasst. Die rechtliche Gleichheit, die Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz, ist gewährleistet.

Worum es seit längerer Zeit bereits geht - und darauf weist der zweite Teil des Titels "kommt bald der Männerbeauftragte?" hin - ist nicht die rechtliche Gleichbehandlung, sondern die generelle Gleichstellung und Gleichbehandlung von Mann und Frau in Staat und Gesellschaft, vor allem auch in der Wirtschaft. Das heißt nicht nur gleicher Lohn für gleiche Arbeit, sondern vor allem auch Gleichheit der Chancen von Mann und Frau und Chancengerechtigkeit im generellen Sinne, das sind die Zielsetzungen. Keine Benachteiligung der Frau, ist eines der erklärten Ziele dessen, was sich die Politik auf die Fahnen geschrieben hat. Dafür sollen seit einiger Zeit Gleichstellungsbeauftragte sorgen. Gleichstellung ist zu einem dominierenden Prinzip geworden, das unter dem Begriff "Gender Mainstreaming" querschnittlich in der Regierungspolitik verankert wurde.

Die 'Wahrung gleicher Rechte und Chancen von Mann und Frau ist ein wichtiges Anliegen, weil es selbstverständlich keine Benachteiligung geben darf, die durch die Zugehörigkeit zum einen oder anderen Geschlecht begründet ist. Ist es aber auch richtig, wenn aus dem berechtigten Interesse an der Gleichstellung der Frau - häufig reduziert und verengt auf die Wahrnehmung von Mann und Frau als Konkurrenten in Beruf und Karriere - ein dominierendes Prinzip gemacht wird, dem andere gesellschaftliche Bedürfnisse und Aspekte untergeordnet werden? Ebenso wäre es zu hinterfragen, die fiktive Gleichstellung des Mannes zum dominierenden Prinzip machen zu wollen, was aus dem Begriff "Männerbeauftragter" abgeleitet werden könnte, der wohl nur aus rhetorischen Gründen verwendet wird. Die jetzige gesellschaftliche Diskussion sollte aus einem geweiteten Blickfeld der Gleichstellung oder Gleichbehandlung geführt werden, in dem sich übergeordnete Bedürfnisse der Gesellschaft widerspiegeln.

Die Erwerbstätigkeit von Frau und Mann als ein dominierendes Prinzip

Die gegenwärtige Dominanz des Gleichstellungsaspektes, in ihrer Verengung auf das Bild von Frau und Mann als Konkurrenten in der Erwerbstätigkeit, ist gerade erst in den dogmatischen Forderungen des EU-Sozialkommissars Spidla deutlich geworden, als er quasi forderte, die Frauenerwerbsquote müsse auf gleichem Niveau wie die Männer­erwerbsquote stehen (MEDRUM-Artikel v. 09.06.08). Eine solche Forderung führt zu gesellschaftlichen und ökono­mischen Strukturen, in denen zentrale gesellschaftliche Bedürfnisse nur zweit- oder drittrangig behandelt werden. Das gilt insbesondere für die sozialen Bedürfnisse von Kindern und Familien. Sie werden letztlich dem dogmatisch und ökonomisch begründeten Postulat einer Frauenerwerbsquote untergeordnet.

Die Ausrichtung politischen und gesellschaftlichen Handelns an der Frauenerwerbsquote hat zwangsläufig nachteilige Begleitfolgen. Sie führt insbesondere zur Hintanstellung und Vernachlässigung von Grundbedürfnissen der Kinder und Familien. Sie geraten daher oft aus der Balance. Kinder und Familien sind in einer prekären Lage. Daher ist es nicht sozial zu fordern, dass die Frauenerwerbsquote erhöht werden muss, um sie der Erwerbsquote der Männer anzugleichen. Davon kann keine Besserung der Lage insgesamt erwartet werden. Sozial wäre es daher vielmehr zu fordern, dass sich die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern in erster Linie an ihren jeweiligen Bedürfnissen und Fähigkeiten sowie den Bedürfnissen von Kindern und Familien ausrichten müssen, und dass allgemeine Bedürfnisse der Wirtschaft erst in zweiter Linie eine Rolle spielen dürfen.

Das Hauptaugenmerk sollte also nicht mehr darauf gerichtet werden, dass Mann und Frau als Konkurrenten im Beruf gleich behandelt werden - das ist zu einem guten Teil bereits erreicht. Moderne Gleichstellungspolitik muss stattdessen darauf achten, was für Frauen, Männer und Kinder getan werden muss, um für gesunde Lebensverhältnisse in der Gesellschaft zu sorgen, damit Frauen und Männer soziale Balance in der Familie halten können. Moderne Politik muss darauf angelegt sein, dass Frauen und Männer genügend Handlungsspielraum gelassen und ihnen die nötige Förderung gewährt wird, um ihrer Verantwortung gegenüber Kindern und in den Familien gerecht werden zu können. Das hat die gegenwärtige Gleichstellungspolitik aber per Definition nicht im Auge. Sie muss daher korrigiert werden, wenn die Gesellschaft mit ihren Kindern und Familien nicht langfristig Schaden nehmen soll.

Moderne Gleichstellungspolitik und das Dogma von Erwerbsquoten

Was moderne Gleichstellungspolitik tatsächlich bedeutet, kann am Beispiel von Erwerbsquoten verdeutlicht werden: Für moderne Gleichstellungspolitik kann es nicht entscheidend sein, ob Erwerbsquoten von Frauen und Männern statistisch gleich sind und ihre Rollen in der Familie gleich verteilt sind. Die Politik muss danach fragen, ob es Frauen und Männern in Staat und Gesellschaft gleichermaßen ermöglicht wird, ihre Rollen in Beruf und Familie nach ihrer jeweiligen Verantwortung, ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen entsprechend zu erfüllen. Um dieser Zielvorstellung gerecht werden zu können, muss den Geschlechtern der notwendige Spielraum gegeben und belassen werden, ihre jeweiligen individuellen Lebenskonzepte in ihrer eigenen Verantwortlichkeit und Kompetenz auch realisieren zu können. Staatlich verordnete, statistische Erwerbsquoten als fiktive Vorgabe sind gegenüber den Geschlechtern und der Gesellschaft ebenso abzulehnen wie es absurd wäre, wenn der Staat den Unternehmen vorschreiben wollte, dass die Beschäftigungsquote von Männern und Frauen in Unternehmen gleich hoch sein müsste. Eine solche Entscheidung muss ebenso den Unternehmen vorbehalten bleiben, die es für ihren Bereich besser überschauen und entscheiden können als Politik und Staat, wie es Frauen und Männer für sich und ihre Familien besser übersehen und entscheiden können, wer in welchem Umfang einer Erwerbstätigkeit nachgeht und wie ihre Rollen und Aufgaben in der Familie verteilt werden.

Das Diktat von Lebensentwürfen durch das Gender Mainstreaming

Jedes „politische Diktat", auch ein solches, das durch entsprechende Rahmen­bedingungen auf indirektem Wege ausgeübt wird, führt durch seine Wirkung als Dekret zu einem Verlust an Freiheit und Flexibilität bei der Realisierung von Lebensmodellen. Es normiert und erzwingt oft Lebensverhältnisse, in denen Frauen, Männer, Kinder und Familien nicht mehr zurecht kommen. Sie können nicht mehr das tun, was für ihre Lebenssituation am besten geeignet ist und können nicht die ihnen am besten liegende Rolle wahrnehmen. Sie geraten aus der Balance in prekäre Lagen, sie geraten in die Überforderung, sie fühlen sich unverstanden, benachteiligt und oft auch alleingelassen. Hierbei spielen die spezifischen Fähigkeiten von Mann und Frau - entgegen der Gender-Anschauung - durchaus eine ganz wichtige Rolle. Soziale Rollen sind eben nicht ausschließlich kulturell erlernt, sondern haben ganz wesentlich auch ihren Ursprung in individuellen und biologisch begründeten Eigenschaften und Fähigkeiten (MEDRUM-Artikel v. 11.05.08). Dies zu berücksichtigen, ist wirkliche, moderne Gleichbehandlung. Nur wer die natürlichen, unterschiedlichen Gegebenheiten von Frau und Mann nicht per Dekret als abgeschafft erklärt, sondern wer sie anerkennt und ihnen den geschlechtsspezifischen und individuellen Entfaltungsraum gewährt und lässt, behandelt die Geschlechter in ihrer jeweiligen Eigenart gleich und ermöglicht auch eine Gleichbehandlung der Familie. Die Politik kann nur so der Frau, dem Mann, den Kindern und Familien gerecht werden. Viele Frauen und Familien leiden darunter, dass unter dem Dachbegriff des Gender Mainstreaming die ihnen gerecht werdende Anerkennung und Gleichbehandlung versagt wird. Nicht Gender Mainstreaming sondern Familien Mainstreaming müssen künftig im Vordergrund stehen ( das schließt Mainstreaming für Kinder ein ).

Freiheit und Solidarität - Maxime einer modernen Politik der Gleichbehandlung

Moderne Gesellschaftspolitik und Gleichbehandlung muss auf zwei Maxime konzentriert sein, um Frauen, Männer und Kindern gerecht werden zu können: Freiheit und Solidarität, statt staatlicher Bevormundung und Benachteiligung. Dies ist die Freiheit von Frau und Mann, selbst zu entscheiden, welche Rolle und Aufgabe für sie jeweils die richtigen sind, und dies ist die Solidarität der jeweils anderen, diese Freiheit zu ermöglichen und mitzutragen. Das muss für unterschiedliche Lebensmodelle und Lebensentwürfe gelten. Nur wenn diese beiden Maxime erfüllt werden, wird man auch einem umfassenden Anspruch nach Gleichbehandlung von Frauen und Männern, aber eben auch von Kindern und Familien gerecht.

Jede Politik, die vordergründig und einseitig darauf angelegt ist, Frauen oder Männer in die Erwerbsrolle zu bringen oder einseitig ihre Erwerbsrolle zu begünstigen, wie es beispielsweise mit dem derzeitigen Programm für den Ausbau der Kinderbetreuung geschieht, nimmt zum einen denjenigen die Freiheit, die ihrer Verantwortung für Kinder und Familie nach ihrem Lebensentwurf gerecht werden wollen und versagt ihnen andererseits die Solidarität. Er zwingt der Familie ein „staatlich verordnetes Geschäftsmodell“ auf.

Kritik an Bevormundung und Benachteiligung

Das sind maßgebliche Gründe, weshalb Vereinigungen wie das deutsche Familien­netzwerk (vgl. Familie-ist-Zukunft) oder Vertreter der Kirche zum Teil als scharfe Kritiker der Regierungs­politik auftreten und der Regierungspolitik mit Recht den staatlich verordneten Ausbau der außerfamiliären Kinderbetreuung vorwerfen. Sie tun dies im Kern nicht, weil sie etwa eine staatliche Vorsorge für die Betreuung und Förderung von Kindern generell ablehnen, sondern sie sprechen sich dagegen aus, dass diejenigen benachteiligt und nicht gleichbehandelt werden, die einen größeren Anteil der Betreuung und Erziehung von Kindern - zugunsten der Kinder - in den Familien leisten wollen und aus ernst zu nehmenden Gründen damit ein anderes Lebensmodell für ihre Familie für verantwortungsgerechter halten. Familien fühlen sich in ihrem Verantwortungsbewusstsein nicht ernst genommen, bevormundet und teilweise sogar verachtet. Manche Äußerung von Abgeordneten während der letzten Plenardebatte belegt, dass diese Empfindung berechtigt ist. Auch Christa Müller hat dies auf dem Parteitag der Linken so erlebt. Die Doktrin der Erwerbstätigen Frau und der außerfamiliären Betreuung von Kindern forderte ihren Tribut. Für Gleichbehandlung, Freiheit und Solidarität war auch dort kein Platz (MEDRUM-Artikel v. 04.06.08 u. Artikel v. 29.05.08). Das kann nicht als moderne Politik der Gleichbehandlung, sondern nur als Politik der Bevormundung, Ungleichbehandlung und Diskriminierung verstanden werden.

Gleichbehandlung von Lebensentwürfen und Lebensmodellen

Was also fehlt sind nicht Beauftragte von Frauen und Männern, die für die Fiktion einer geschlechtsneutralen Gleichbehandlung sorgen, sondern ein Umdenken in Politik und Gesellschaft, das für die Gleichbehandlung von Lebensentwürfen und Lebensmodellen für Frauen, Männer, Kinder und Familien sorgt und den grundgesetzlich gebotenen Schutz von Ehe und Familie beachtet. Eine solche Politik muss den geschlechtsspezifischen Bedürfnissen und den Bedürfnissen von Kindern und Familien die notwendige Freiheit und Solidarität gewähren. Dies verlangt eine Fortentwicklung der heutigen Politik, deren Prägung wesentlich ihren Ursprung in der feministischen Bewegung der 68er Generation und dem Gender Mainstreaming Konzept der Folgezeit hat, zu einer modernen Gleichbehandlungspolitik. Eine solche Politik wäre eine Gesellschaftspolitik der Nachhaltigkeit für eine zukunftsfähige Gesellschaft.


Gedicht -> Erhaltet die Familien