Sie sind hier

Warum unterrichten wir eigentlich unsere Kinder zuhause

HTML clipboard

Warum unterrichten wir eigentlich unsere Kinder zuhause?

Gedanken zu unserer Haus- und Familienschule, vorgetragen bei der Verhandlung des Landgerichtes Kassel vom 16. November 2009

von Jürgen Dudek

Was wir seit bald elf Jahren tun, ist überall auf der Welt erlaubt. In fast allen Ländern der Erde unterrichten Eltern ihre Kinder zu Hause. Nur in Deutschland bekommt man, und das erst seit 1938, die Staatsmacht zu spüren, wenn man seine Kinder selber beschult. Dennoch haben wir viele gute Gründe, unsere Kinder zu Hause lernen zu lassen.

Unsere Haus- und Familienschule tut den Kindern sehr gut. Aber auch der Familie als ganzes. Wenn es nicht so wäre, hätten wir mit dem Hausunterricht längst wieder aufgehört. Wir hatten genug Zeit, um festzustellen, ob das ein gangbarer Weg ist oder nicht. Trotz aller Einschränkungen finanzieller und zeitlicher Art überwiegen die Vorteile der häuslichen Beschulung bei weitem. Die juristischen und behördlichen Auseinandesetzungen sind allerdings eine Belastung besonderer Art.

Kinder auf eine öffentliche Schule zu geben ist grundlegend ein Akt des Vertrauens: gegenüber Lehrern, der Schulleitung, aber auch den Schulbehörden, unbedingtes Vertrauen letztlich gegenüber Ministerialbürokratie und Schulpolitik. An einer Schule geht es ja nicht bloß um praktische Abläufe wie lesen, rechnen und schreiben lernen. Es geht um das Umfeld, in dem Lehren und Lernen stattfindet; es geht um Wertvorstellungen, Inhalte und Ansichten, die dort vermittelt und ausgetauscht, bevorzugt oder verworfen werden.

Dieses von uns geforderte Vertrauen können wir unmöglich aufbringen. Unser Gewissenskonflikt besteht darin, daß wir gezwungen werden, unsere Kinder einem Schulsystem anzubefehlen, von dem wir genau wissen, daß es sich eben nicht zu ihrem Wohl und auch nicht zum Wohl unserer Familie auswirkt.

Das, womit wir von Amts wegen konfrontiert sind, besagt doch nicht anderes: Jedes Kind muß ein staatlich genehmigtes Schulgebäude besuchen - egal, was dabei herauskommt. Aber wir Eltern sagen: Es ist eben nicht egal, was dabei herauskommt, die Ergebnisse von Bildung und Erziehung sind nicht egal.

Wir können als Eltern gar nicht davon ausgehen, daß unsere Kinder an einer staatlichen Schule auch wirklich entsprechend ihren Fähigkeiten und Neigungen gefördert und gebildet werden. Wir müssen alles mehr oder weniger dem Zufall überlassen: Den Lehrern und deren jeweiliger Zusammensetzung, Kontinuität oder Diskontinuität, den Mitschülern und ihrer jeweiligen Zusammensetzung und einer sehr experimentierfreudigen Pädagogik.

Schule ist so etwas wie eine „Black Box", ein Apparat, dessen innerer Aufbau, dessen innere Funktionsweise verborgen ist. In dieser „Black Box" geschieht alles mögliche. Die inhaltlichen Vorgaben und Zufälligkeiten von Schule entziehen sich uns Eltern völlig. Auch wird keiner der Verantwortlichen jemals die Verantwortung übernehmen für das, was durch den Aufenthalt in jener „Black Box" aus unseren Kindern geworden ist – und wie sich das auf unsere Familie letztlich ausgewirkt hat.

Ein wichtiger Grund, warum wir unsere Kinder zuhause unterrichten, ist der, daß wir sie in positiver Weise "sozialisiert" sehen wollen. Es ist klar, Kinder werden ständig "erzogen" und geprägt. Wenn wir unsere Kinder nicht erziehen und prägen, tun das andere. Das mag für viele kein Problem sein. Die Frage, die sich uns Eltern stellt, ist nur, ob das, was dabei herauskommt, für unsere Kinder und unsere Familie so wünschenswert ist.

Jede Erziehung, aber auch die Bildung, die durch sie erfolgt, braucht eine Grundlage. Ohne ein schlüssiges System an Werten und Bezugspunkten ist alles beliebig, es bleibt chaotisch. Das, was man unter Bildung und Erziehung versteht, stellt sich so kaum ein. Unser Wertesystem ist der biblische/christliche Schöpfungs- und Erlösungsglaube. Diese Koordinaten, dieser Orientierungsrahmen ist ganz hervorragend geeignet, dem jungen Menschen Bildungs- und Erziehungsinhalte zu vermitteln.

Staatliche Schule:

Unser Elternhaus:

Gott spielt keine Rolle. Seine Existenz abzustreiten, ist normal.

Gott ist Schöpfer, Erlöser und Richter des in Sünde gefallenen Menschen.

Die Welt, die Natur, der Mensch ist ein Zufallsprodukt.

Das Leben hat einen absoluten Sinn, weil von Gott geschaffen.

Der Mensch ist ein autarkes Wesen, letztlich nur sich selbst verantwortlich.

Der Mensch ist vor Gott für sein Leben verantwortlich.

Eine letztgültige Wahrheit gibt es nicht, moralische Werte sind eine Frage der Sichtweise.

Gottes Wort ist letztgültige Wahrheit und verbindliche Richtschnur für das Leben und den Umgang miteinander.

Es ist nicht möglich, diese zwei sich widersprechenden Wertesysteme miteinander zu vereinbaren. Das bringt zwangsläufig ein enormes Konfliktpotential mit sich. Bei einer Familie wie unsere muß das aber noch mit der Kinderzahl und deren Beziehungsgeflecht multipliziert werden.

Zwei Bibelworte gaben uns Eltern hierzu von Anfang an klare Auskunft: Das eine ruft uns auf: "Gewöhne den Knaben an seinen Weg. Dann wird er auch nicht davon lassen, wenn er groß ist." (Sprüche 22,7) Das andere warnt uns: "Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten." (1.Korinther 15,33) Eine Sozialisation, wie wir sie uns für unsere Kinder wünschen, kann an einer staatlichen Schule nicht stattfinden. Das hat, wie gesagt, einen einfachen Grund: Das an der staatlichen Schule vorherrschende Welt-, Menschen- und Gottesbild steht dem unseren ganz entgegen.

Es ist entscheidend, welche Werte Kindern im täglichen Miteinander vorgelebt und weitergegeben werden. Daraus entwickeln sie ihr eigenes Wertesystem für den Umgang untereinander, aber auch ihr Selbstverständnis. Wir wollen, daß unsere Kinder lernen, als Christen zu denken und zu leben. Wir leiten sie dazu an, der Bibel ihr uneingeschränktes Vertrauen zu geben und zu lernen, in Einklang mit Gottes Normen und mit Seiner Hoffnung für sie zu leben.

Eine für uns zentrale Aussage der Bibel lautet: "Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen zwei Geboten hängen das ganze Gesetz und die Propheten." (Mt 22,37-40)

Lehr- und Lerninhalte der staatlichen Schulen, aber auch das Umfeld an ihnen, sind durchdrungen von der Vorstellung, der Mensch sei das Maß aller Dinge, eine letzte Verantwortung vor Gott gibt es nicht; allein das, was der Mensch für gut und richtig befindet, gilt. Hinzu kommt: Gesellschaftsfähiger, sozialer Umgang steht in keinem Lehrplan. "Sozialisation", wie wir sie uns vorstellen, wird an Schulen gar nicht eingeübt. Stattdessen gilt das Recht des Stärkeren. Ob das von den Lehrern so gewollt ist oder nicht, spielt keine Rolle. Die Realität zählt.

Eine solche Schulwirklichkeit, ein ständiger Widerspruch zwischen dem, was wir ihnen zuhause vorleben, was sie in ihrem Herzen tragen, und dem, was sie an der Schule als "normal" erfahren, wird niemals an den Kindern vorübergehen, ohne ihnen massiv zu schaden. Warum um alles in der Welt sollten wir ihnen so etwas antun? Warum sollten wir dazu beitragen, daß die zarte Pflanze ihres Glaubens mit Macht zertreten wird? Warum sollten wir unserer Familie von neun Personen einen solchen ständigen Widerstreit zumuten? Wir Eltern müßten bei dem Versuch, die Quadratur des Kreises zu vollbringen, sehenden Auges unsere Familie aufs Spiel setzen.

Für uns Eltern gilt beim Umgang mit den uns anvertrauten Kindern ein Gebot unseres Gottes: „Es soll unter dir niemand gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen läßt ..." (5.Mose 18,10) Wir wissen, es ist ein Gang durchs Feuer für unseren Sohn oder unsere Tochter, wenn sie jeden Werktag, mindestens zehn Jahre lang, den Großteil ihres Wachzustandes Menschen, Inhalten und einer Umgebung ausgeliefert sind, die mit ihnen effektiv machen können, was sie wollen.

Was geschieht nicht alles während dieser mindestens zehn Schuljahre, die die Kinder in einer Zeit durchleben, in der sie außergewöhnlich beeinflußbar, aber auch unvorstellbar aufnahmebereit sind und alles andere als gefestigt sein können?

Unser Hausunterricht hat eine positive "Sozialisations-Bilanz" sowie eine positive Bildungsbilanz. Aber auch große staatliche Einsparungen sind sein Ergebnis. Lern- und Bildungserfolg unserer Kinder und Schüler kosten den Staat keinen Pfennig. Sie hängen entscheidend von dem Umfeld ab, in dem unsere Kinder lernen. Bei uns zu Hause werden sie in einer für das konventionelle Schulsystem unerreichbaren Weise gefördert. Gleichzeitig schafft unser Hausunterricht Freiräume, die für die gesunde Entwicklung der Kinder so wichtig sind. Solche Freiräume gibt es nicht in unserem System des pauschalen Bildungszwanges.

Wenn wir Eltern unsere Kinder bilden und erziehen, geht das Hand in Hand. Es stimmt miteinander überein. Nicht, weil wir eine so gute Ausbildung hätten oder weil wir "Naturtalente" wären. Sondern, weil wir unsere Kinder lieben. Als Vater und Mutter betrachten wir das ganze Kind in seiner Gesamtheit. In der gewohnten häuslichen Umgebung mit den vertrauten Bindungspersonen fällt eine Unzahl an Störfaktoren und Beeinträchtigungen des Lehrens und Lernen weg. Aber unsere Schüler sind vor allem innerlich entspannt und ausgeglichen, was so wichtig für den Lernerfolg ist.

Sie müssen sich nicht ständig an dem orientieren, was ihre Lehrer und Mitschüler von ihnen erwarten. Stattdessen können sie "sie selber" sein, ohne Sanktionen unterschiedlicher Art vorhersehen zu müssen. Das entlastet die Kinder, sie haben Freude am Lernen, Lernen wird für sie zu einem ganz natürlichen Prozeß, dem sie sich gerne aussetzen. Und was man gerne tut, das gelingt auch.

Dadurch, daß wir unseren Kindern ein solches Aufwachsen ermöglichen, leisten wir übrigens auch einen positiven Beitrag zu unserem Gemeinwesen. Ist es nicht das, was unsere Gesellschaft braucht? Haben wir nicht schon genug Gewalt, Aggression, Chaos und Frustration, gerade unter jungen Menschen?

An den Schulen wird ein unwahrscheinlicher Druck auf die Kinder ausgeübt, ein Leistungsdruck, aber auch ein Anpassungsdruck. Dieser Druck hat viele negative Auswirkungen psychischer und physischer Art. Die jungen Menschen sind ständig gezwungen, sich diesem Druck anzupassen und zu beugen, oder aber alle Arten von Verletzungen in Kauf zu nehmen. Dabei steht ihre Anerkennung, ihr "soziales Überleben" in der Klasse auf dem Spiel. Aber nicht Druck führt dazu, daß Kinder lernen! Nicht Druck bringt Bildung oder Erziehung hervor!

Kinder sind unvorstellbar sensibel. In ihrer Sensibilität steckt das Geheimnis ihrer Begabung, ihres großen Potentials. Leistungs- und Anpassungsdruck führen beide dazu, daß Kinder abstumpfen. Sie verrohen zwangsläufig, der eine mehr, der andere weniger. Denn sie müssen sich eine "dickes Fell" gegen alle Arten von Verletzungen zulegen. Im Kollektiv kann gar nicht angemessen auf ihre je unterschiedlichen Bedürfnisse eingegangen werden. Im schulischen Betrieb gibt es keinen Raum für die Sensibilität der Kinder. Es kann auf sie nicht oder nur sehr begrenzt Rücksicht genommen werden.

Zuhause ist das jedoch ganz anders! Die Lehr- und Lernumgebung durch unseren Hausunterricht stellt viel eher das emotionale, geistige und leibliche Wohl unserer Kinder sicher. Das war uns von Anfang an bewußt, und es bestätigt sich uns immer wieder.

Jetzt könnt man natürlich sagen: Gesetz ist Gesetz, da müssen wir uns beugen, der Staat ist der Stärkere. Aber genau hier kommt unser elterliches Gewissen ins Spiel. Es gibt in der Bibel keine Vorschrift: „Du darfst dein Kind nicht zur Schule schicken!" Aber es heißt dort: "Kinder sind eine Gabe von Gott." (Ps 127,3) Uns ist klar, daß wir bei allem, was mit unseren Kindern zu tun hat, besondere Sorgfalt walten lassen müssen.

Unsere Kinder gehören nicht uns. Sie sind uns jedoch für die Zeit unseres Erdenlebens anvertraut. Für das, was uns anvertraut ist, werden wir eines Tages zur Verantwortung gezogen werden. Wir werden Rechenschaft ablegen müssen dafür, was aus den Kindern geworden ist -, so weit das in unserer Macht stand. Es ist spätestens unser himmlischer Richter, der uns dafür zur Verantwortung ziehen wird. Das ist der Grund. warum wir tun, was wir tun.

Dabei berufen wir uns jedoch nicht einfach nur auf unseren Glauben. Wir sehen unser Verhalten sehr wohl und in besonderer Weise durch Art. 4 unseres Grundgesetzes gedeckt, aber auch durch Art. 6. Sowohl die Zusage der Freiheit von Glauben und Gewissen, als auch des Vorrangs des Elternrechtes in unserer Verfassung machen deutlich, daß unser Handeln keine bestrafungswürdige Tat ist.

Dieses Grundgesetz ist von Menschen verfaßt worden, die noch gottesfürchtig waren. Sie waren von christlichen wertvorstellungen geprägt und vor allem: sie wollten eine wiederholung der Diktatur, aus der sie gekommen waren, verhindern.

__________________________

Jürgen Dudek (Herleshausen) ist Vater von sieben Kindern.

Leserbriefe

Liebe Familie Dudek, beim Ansehen der ZDF-Sendung sind Sie mir richtig ans Herz gewachsen. Ihre Haltung, Ihr Vertrauen zu Gott, Ihre Wertevermittlung, Ihre Liebe untereinander: all das ist vorbildhaft und kaum zu glauben in unserer Gesellschaft. Ich freue mich, dass Sie als Christen so ein Vorbild geben können. Gott schenke Ihnen Kraft, den steinigen juristischen Weg zu gehen. Haben Sie Kontakt zu Politikern, die Ihren Weg verstehen? Ich wünsche sehr, dass es eine Gesetzesänderung gibt. Gottes Segen wünscht Ihnen Walter Franz