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Papst Benedikt, Angela Merkel und Klarstellungen


04.02.09

Papst Benedikt, Angela Merkel und Klarstellungen

Kompetente Erklärungen hilfreicher als unverständliche Forderungen

Kommentar von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Papst Benedikt XVI. auf, sich klarer von der Leugnung des Holocausts zu distanzieren. Ihr genügt die Erklärung des Papstes nicht, mit der er letzte Woche nach dem provozierenden Interview von Richard Williamson und des nachfolgenden Medienechos Stellung bezogen hat.

Zur Forderung der Bundeskanzlerin an den Papst teilte die Bundesregierung mit, es gehe darum, dass der Papst und der Vatikan klarstellten, dass es eine solche Leugnung nicht geben könne.

Angela Merkel hatte erklärt: "Das ist nach meiner Auffassung nicht nur eine Angelegenheit der christlichen, der katholischen und jüdischen Gemeinden in Deutschland, sondern es geht hier darum, dass vonseiten des Papstes und des Vatikans sehr eindeutig klar gestellt wird, dass es keine Leugnung geben kann und dass es natürlich einen positiven Umgang mit dem Judentum insgesamt geben muss. Diese Klarstellungen sind aus meiner Sicht noch nicht ausreichend erfolgt.“

Wer die Erklärung des Papstes bei der Generalaudienz in der letzten Woche gehört hat, kann durch diese Äußerungen der Bundeskanzlerin irritiert sein, denn Papst Benedikt hat bereits klare Position bezogen. Unter anderem erklärte er am Mittwoch vergangener Woche, dass die „Shoah für alle eine Mahnung gegen das Vergessen, gegen die Leugnung oder die Reduzierung“ sei. Dies ist als eindeutige Distanzierung von allen Aussagen zu werten, mit denen der Holocaust geleugnet oder auch nur verharmlost wird. Sie gilt für die Äußerungen Williamsons ebenso wie für die Äußerungen anderer Personen und ist die Position der römisch-katholischen Kirche. Dies ist mehrfach durch den Vatikan bestätigt worden. Selbst Bischof Fellay, der jetzige Generalobere der Pius-Bruderschaft und der deutsche Distriktobere Pater Franz Schmidberger haben sich dieser Distanzierung angeschlossen und dem Papst ihre Solidarität und Loyalität erwiesen.

Die Bundeskanzlerin forderte dennoch eine weitere Klarstellung durch den Papst. Sie begründete dies damit, dass durch eine Entscheidung des Vatikans der Eindruck entstanden sei, dass es die Leugnung des Holocaust geben könnte. Die Kanzlerin billigt damit den Kritikern zu, berechtigte Gründe zur Kritik an der Entscheidung des Papstes haben zu können. Angela Merkel entwertet dadurch die bereits eindeutig erklärte Position des Papstes. Ihre Stellungnahme lässt darüber hinaus auch den Eindruck zu, dass sich die Bundeskanzlerin möglicherweise eine andere Entscheidung des Papstes über die Aufhebung der Exkommunikation für Williamson gewünscht hätte. Die Position einer deutschen Kanzlerin sollte eine Reihe von Fakten in Betracht ziehen, die nicht hinreichend durchdacht erscheinen.

Die Aufhebung der Ex-Kommunikation ist ein kirchliches Dekret, das ausschließlich kirchenrechtliche Bedeutung hat. Nach dem Kirchenrecht kann eine Exkommunikation nur für solche Handlungen ausgesprochen werden, mit denen gegen zentrale kirchliche Gebote oder Dogmen des Glaubens verstoßen wird. Es werden damit Personen die Befugnisse entzogen, Sakramente zu empfangen oder zu spenden und kirchliche Ämter auszuüben, sie bleiben aber Angehörige der katholischen Kirche. Auch die ehemals ex-kommunizierten Lefebvre-Bischöfe blieben nach der Exkommunikation Mitglieder der römisch-katholischen Kirche, sie waren lediglich von Sakramenten und kirchlichen Ämtern und damit von kirchlicher Gemeinschaft ausgeschlossen.

Mit der jetzigen Aufhebung der Exkommunikation wurde die Rückkehr in die kirchliche Gemeinschaft überhaupt erst eröffnet, die seinerzeit durch die schismatische Lossagung des Bischofs Lefebvre vom Heiligen Stuhl und vorsätzliche Mißachtung päpstlicher Weisungen ausgelöst wurde. Im Dekret vom 21. Januar heißt es dementsprechend, dass den Bischöfen Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Galarreta die Exkommunikationsstrafe "latae sententiae" erlassen wird. Die genannten Bischöfe hatten um diese päpstliche Entscheidung gebeten, weil sie - anders als Lefebvre - wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen werden wollen.

Weder die Verhängung der Exkommunikation durch Johannes Paul II. noch die jetzige Aufhebung durch Benedikt XVI. standen oder stehen also in irgendeinem Zusammenhang mit politischen oder historischen Überzeugungen und Äußerungen. Die Begründung des Papstes für die Aufhebung der Exkommunikation und seine Zielsetzung lassen von Anfang an nichts an Klarheit vermissen. Zu behaupten, mit seiner Entscheidung habe der Papst einen Holocaust-Leugner rehabilitiert, ist eine völlig unzulässige Herstellung eines Zusammenhanges, den es nicht gab und gibt. Er kann auch deswegen nicht hineininterpretiert werden, weil Williamson zwei Tage vor der Unterzeichnung des päpstlichen Dekretes ein Interview gegeben hat, in dem er den Holocaust abstreitet. Noch absurder ist es, aus dem Interview von Williamson gar ableiten zu wollen, die Position des Papstes zum Holocaust müsse klar gestellt. Gleichwohl hat der Papst durch seine Erklärung bei der Generalaudienz seine Position in dieser Frage erneut bekannt.

Nach den kirchenrechtlichen Bestimmungen gibt es für Meinungsäußerungen, wie sie von Williamson abgegeben wurden, keine Exkommunikationsstrafe. Sie gibt es dafür ebenso wenig wie es einen Parteiausschluss für Parteimitglieder gibt, die ihre Meinung zu Fragen ihres Glaubens oder zu kirchlichen Angelegenheiten kundtun. Eine konstruierte, inhaltliche Herstellung solcher Zusammenhänge wäre willkürlich.

Der Papst kann einen Bischof wegen politisch inakzeptabler Äußerungen weder als Mitglied aus der Kirche noch aus der kirchlichen Gemeinschaft ausschließen. Er kann hingegen einem Bischof untersagen, solche Äußerungen als Amtsträger der Kirche abzugeben, und er kann ihm wegen solcher Äußerungen auch ein kirchliches Amt entziehen. Beides trifft bei Williamson bereits zu. Ihm wurde untersagt, politische Stellungnahmen abzugeben. Auch die Suspension von der Ausübung eines Bischofsamtes besteht weiter. Diese Maßnahmen sprechen eine ebenso eindeutige Sprache wie die Haltung von Benedikt zur Holocaust-Frage selbst. Es wäre aber ebenso widersinnig wie willkürlich, die Aufhebung einer Exkommunikationsstrafe an die Bedingung zu knüpfen, bestimmte politische Auffassungen zu äußern oder Äußerungen zu unterlassen. Hier liegt ein Fehlverständnis, zum Teil wohl auch eine bewusste Mißinterpretation des päpstlichen Dekretes vor.

Die Aufhebung der Exkommunikation war eine Geste der Barmherzigkeit und Versöhnung, mit der Benedikt XVI. die Rückkehr der abtrünnigen Bischöfe und mit ihnen einen beträchtlichen Teil von Priestern und Anhängern in den Schoß der römisch-katholischen Kirche ermöglichen will. Diese Beweggründe wurden im Dekret selbst unmißverständlich formuliert. Deswegen ist jede Behauptung, der Papst habe einen Holocaust-Leugner rehabilitiert, eine willkürliche Interpretation und ungerechtfertigte Unterstellung. Sie ist nicht nur falsch, sondern verleugnet das tatsächliche Anliegen des Papstes und verleumdet sein Bestreben, Abtrünnige mit der Kirche zu versöhnen und der Einheit der Kirche zu dienen. Der Papst hat Williamson in keiner Weise als Holocaust-Leugner rehabilitiert, sondern ihm die Chance geboten, ein vollberechtigtes Mitglied und Amtsträger der Kirche werden zu können.

Auch Angela Merkel sollte den Erlass einer Exkommunikationsstrafe und die tatsachlichen Zusammenhänge zutreffend werten können. Papst Benedikt XVI. war hier nicht mit einer Parteitagsrede auf Wahlkampftour, mit der politische Gegner angegriffen werden, sondern als Inhaber des Heiligen Stuhls und Bischof von Rom, der vier Bischöfen eine kirchenrechtliche Strafe erlassen hat, die ihnen nach eigener Erklärung zum Leid geworden war. Papst Benedikt hat weder vor oder mit noch nach der Aufhebung der Exkommunikation eine Absolution für Meinungsäußerungen über den Holocaust erteilt.

Wenn an dem Geschehen Anstoß genommen werden kann, dann erscheint Kritik an zwei wesentlichen Punkten verständlich und hilfreich. Erstens an der Tatsache, dass der Vatikan nicht über das Interview von Williamson informiert war, über das der Spiegel bereits am 19.01.09 berichtete, und zweitens über die umstrittenen, skandalträchtigen Auffassungen von Williamson an sich, die gegenüber Papst Benedikt und der katholischen Kirche den Verdacht der Illoyalität aufkommen lassen. Bischof Williamson hat sich bisher der versöhnlichen Geste des Papstes und der Aufhebung der Exkommunikation nicht gerade als würdig erwiesen. Er erweckt den Eindruck, als ob ihm wenig daran gelegen ist, die ausgestreckte Hand des Heiligen Stuhls zu ergreifen. Gerade in diesem Punkt aber verdient der Papst Solidarität, nicht Kritik. Kommunikationsdefizite innerhalb des Vatikans und der katholischen Kirche bedürfen zwar der kritischen Durchleuchtung, sind aber kein Gegenstand politischer oder kirchenpolitischer Diskussion, sondern Schwächen in der innerkirchlichen Administration und Kommunikation, über die sich der Vatikan selbst im Klaren ist.

Angela Merkel hätte gut daran getan, das kirchliche Anliegen des Papstes und seine Distanzierung von Holocaust-Leugnungen durch eine kompetente Erklärung zu verdeutlichen, anstatt ihm weitere Erklärungen abzuverlangen. Seine Erklärung bei der Generalaudienz ist um vieles eindeutiger als manche Parteitags- und Regierungserklärungen. Wer dem Bemühen des Papstes um die Einheit der katholischen Kirche und ihrem Dialog mit anderen Religionen wirklich dienen will, muß in der jetzigen Debatte seine Autorität stärken und seine klare Haltung zum Holocaust mittragen. Die unberechtigte Schelte und Kritik für eine angebliche Rehabilitierung eines Holocaust-Leugners Williamson, die nie stattgefunden hat, arbeitet all jenen in die Hände, die aus unterschiedlichsten Gründen ein Interesse daran haben, Öl ins Feuer zu gießen und Konflikte zu schüren. Das kann nicht die Position einer deutschen Bundeskanzlerin sein, erst recht nicht gegenüber einem deutschen Papst, dessen Amt ohnedies schon schwer genug ist.

Es ist - wie vielen anderen Stellen - auch dem Münchner Merkur beizupflichten, der schrieb, Papst Benedikt XVI. habe sich "nachdrücklich gegen eine Leugnung des Holocaust gestellt und seine volle Solidarität mit den Juden bekräftigt". Entscheidungen, Begründungen und Erklärungen des Papstes lassen keinen Zweifel an dieser Haltung aufkommen. Zu wünschen wäre hingegen eine Klarstellung von Angela Merkel, wie sie zum kirchlichen Anliegen und dem Dekret des Papstes steht und welche weiteren Klarstellungen des Heiligen Stuhls sie denn noch erwartet. Dabei ist sie auf eine kompetente Beratung in Ihrem Haus angewiesen.

MEDRUM-Artikel -> Bischof Fellay verurteilt Leugnung des Holocaust durch Bischof Williamson