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Gefangene eines religiösen Zwangssystems sind Klassenbeste


31.01.09

Gefangene eines "religiösen Zwangssystems" sind Klassenbeste

Gorber-Töchter brillieren in den Schulen nach Befreiung aus den Fängen des Jugendamtes

(MEDRUM) Töchter der Familie Gorber aus Überlingen, die jahrelang zu Hause unterrichtet wurden und erst seit September letzten Jahres öffentliche Schulen besuchen, erhielten jetzt Zeugnisse, die sie als Klassenbeste ausweisen. Sie wurden im letzten Jahr noch auf Betreiben des Jugendamtes zusammen mit ihren Geschwistern gegen ihren Willen plötzlich aus ihrer Familie genommen, die als religiöse Spinner in Verruf gebracht worden war.

Mutter Gorber zögert, die Frage zu beantworten, wie es denn möglich sei, dass ihre Töchter Klassenbeste sind, wo doch Mitarbeiter des Jugendamtes in der vorherigen Hausunterrichtung eine Gefahr für das Kindeswohl gesehen hatten. Frau Gorber macht aus ihrer Freude über den herausragenden Erfolg ihrer Töchter in der öffentlichen Schule kein Geheimnis: "Meine Kinder sind sehr motiviert. Ich habe mir als Mutter von vielen Kindern immer sehr viel Mühe gegeben, meine Kinder gut zu unterrichten, aber ohne die Ermutigung durch meinen Mann und den Segen des Herrn wäre dies sicher auch nicht möglich gewesen", so Mutter Gorber. Möglich war dies nicht zuletzt auch durch das Schulamt, das die häusliche Unterrichtung fast zehn Jahre lang zumindest tolerierte. Beendet wurde diese, offenbar segensreiche Phase der Erziehung und Bildung erst, als das Jugendamt des Bodenseekreises glaubte, sechs Kinder dieser Familie wegnehmen zu müssen, um sie mit einem kleinen Massenaufgebot von Polizisten in Abwesenheit der Eltern in Heime zu verbringen. Sie sollten aus einer angeblichen "sozialen Isolation" befreit werden. Aufpasser und Denunzianten aus dem Umfeld von Gorbers wollten dem "Treiben" der Familie Gorber Einhalt geboten wissen. Selbst der Ortsvorsteher meinte der Presse gegenüber, dass hier etwas habe geschehen müssen. Schließlich erdreistete sich diese Familie, einen eigenen Lebensstil zu pflegen: Sie schickte ihre Kinder nicht in öffentliche Schulen und lebte außerhalb des Zirkels ihrer traditionell geprägten katholischen Kirchengemeinde. Sie leistete es sich auch, morgens zu Tagesbeginn in einer 10-minütigen Andacht zum Gebet zusammen zu kommen. Die Eltern der christlich lebenden Familie lutheranischer Prägung wurden als "religiöse Spinner" bezeichnet.

Über eine Gorber-Tochter sagte die vorübergehend eingesetzte Verfahrenspflegerin noch im letzten Jahr, sie solle besser auf die Förderschule gehen. Sie hatte Bedenken, das Mädchen eine Haupt- oder Realschule besuchen zu lassen. "Ob die das wohl schaffen wird?", zweifelte die Verfahrenspflegerin. Die Eltern Gorber setzten sich über diese Bedenken hinweg. Aus gutem Grund, wie jetzt bei den Halbjahreszeugnissen zu sehen war. Ihre Tochter kam  mit dem klassenbesten Zeugnis und einem Notendurchschnitt von 1,7 nach Hause. Doch sie war nicht die einzige Tochter, die ihren Lehrern Freude bereitete. Auch eine Schwester von ihr brachte ein Zeugnis als Beste ihrer Klasse nach Hause und die nächste Schwester gehört auch zu den Klassenbesten. Wie kann möglich sein, was nach amtlicher Auffassung nicht möglich sein kann oder darf? Der Journalist Holger Reile stellte im Schwarzwälder Boten im letzten Jahr noch die Frage, ob eine aufgeklärte Gesellschaft zusehen dürfe, wenn Kinder in einem "religiösen Zwangssystem" aufwachsen.

Die Töchter der Familie Gorber strafen alle Lügen, die ihre Familie in Verruf gebracht und ihnen Leid beschert hatten. Angefangen bei argwöhnischen, mißliebigen, denunzierenden Dorfbewohnern, Nachbarn und Verwandten, fortgesetzt bei irrenden, verblendeten  Jugendamtsmitarbeitern und skeptischen Verfahrenspflegern, bis hin zum hypothetisierenden Gutachter und ideologisch fehlgeleiteter Berichterstattung in manchen Medien. Auszunehmen aus einer solchen Phalanx ist am Ende nur eine Instanz, ohne deren besonnene Entscheidung die Rückkehr der Gorber-Töchter zu ihrer Familie zu guter Letzt nicht möglich gewesen wäre: das Familiengericht Überlingen. Es änderte die vorher getroffenen Anordnungen zum Sorgerecht und fasste bereits vor Abschluss des Verfahrens den Beschluss, die Kinder der Familie Gorber, die auf Betreiben des Jugendamtes sieben Lebensmonate in Heimen verbringen mußten, wieder nach Hause zurückkehren zu lassen. Die Empfehlungen des Gutachters, dass man Mutter und zwei Töchter auch noch eine Weile psychiatrisch begleiten könnte, wenn man es denn wollte, sind mit fast salomonischer Weisheit nicht verfolgt worden. Auch eine denkbare Begleitung durch eine Familienpflegerin des Jugendamtes, ist nach kurzer Erörterung nicht verfolgt worden. Den richterlichen Entscheidungen war es zu verdanken, dass die Gorber-Familie seit August wieder als Familie zusammenleben kann und nun nicht mehr von Mitarbeitern des Jugendamtes behelligt wird. Und das war offensichtlich gut so.

Mit den wunderbaren Geschöpfen aus dieser Familie befassen sich jetzt - statt fachkundiger Jugendmitarbeiter - manche Lehrer, aber auf andere Weise als es beispielsweise Jugendamtsmitarbeiter taten. Sie freuen sich über gute Motivation und prima Leistungen der Mädchen. "Wie ist dies möglich, wo diese Kinder doch vorher keine öffentliche Schule besucht haben?" Diese Frage soll in einer Klassenkonferenz von Lehrerinnen und Lehrern diskutiert worden sein, wie MEDRUM berichtet wurde. Auch aus Sicht von Frau Gorber ist diese Frage verständlich und berechtigt. Sie geht nicht unbedingt soweit zu sagen, dass dies das Schulsystem grundsätzlich in Frage stellen würde, ärgert sich aber noch heute darüber, dass ihr Hausunterricht vorher von Behördenseite "in den Dreck gezogen" und als Argument gegen ihre Erziehung und das Kindeswohl verwendet wurde. Sie bleibt dabei sehr bescheiden. "Es ist nicht mein Erfolg. Die Ehre gebührt dem Herrn!", sagt Mutter Gorber, die am Montag einer Delegation angehören wird, die den Vereinten Nationen eine Protestnote zur Verletzung von Menschenrechten durch deutsche Jugendämter überreichen wird.

MEDRUM-Artikel

-> Protestnote gegen Menschenrechtsverletzungen an UN am 2. Februar in Genf

-> Sechs Kinder einer bibeltreuen Familie entrissen und in staatlichen Gewahrsam genommen


Leserbriefe

Eine Information würde mich noch interessieren: Auf was für einer Schule sind die Mädchen denn jetzt? Haupt- oder Realschule?
Herzlichen Dank und herzlichen Glückwunsch an Familie Gorber

In zwei Fällen Realschule, in einem Fall Hauptschule mit Werkrealschule, die ebf. mit Realschulabschluss endet.